Retax: wirtschaftliche Abgabe von Verbandstoffen zulasten der GKV

Bei der Abgabe von Verband­stoffen auf ein GKV-Rezept tauchen in Apotheken oft Fragen auf. In vielen Fällen verordnet der Arzt – vermeintlich wirtschaftlich – einen Import, aber dies macht Apotheken häufig Schwierig­keiten, denn gerade bei Verband­stoffen sind Importe oft nicht lieferbar. Damit sind Retaxationen vorpro­grammiert – wie in einem aktuellen Retax­fall, den wir heute vor­stellen möchten.

Verbandstoffverordnung über einen Import

Der betroffenen Apotheke war im Januar 2022 eine Verordnung zulasten der AOK PLUS über „ALLEVYN Ag Gentle Border 7,5x7,5 cm 10 St. PZN 13247854“ vorgelegt worden. Dabei handelte es sich um einen Import der Firma axicorp. Dieser war für die Apotheke zum Abgabe­zeit­punkt nicht erhältlich, daher wurde alternativ das (teurere) Original bestellt, um den Kunden zeitnah ver­sorgen zu können. Leider wurde eine Dokumentation auf dem Rezept vergessen. Damit war der Weg für eine Retaxation der GKV geebnet, die dann auch prompt einige Monate später in der Apotheke eintraf. Retaxiert wurde die Differenz zwischen abge­gebenem Original und verordnetem Import in Höhe von 61,81 €.

Daraufhin erhob die Apotheke Ein­spruch gegen die Retaxation und lieferte den Nicht­ver­fügbar­keits­nachweis für den fraglichen Import nach.

Der Einspruch wurde jedoch nicht anerkannt – im Gegenteil: Die Kranken­kasse verlangte mit Hinweis auf das allgemeine Wirtschaftlich­keits­gebot weitere 12 Nicht­verfügbar­keits­nach­weise für Importe, die günstiger als das Original gewesen wären.

Die Apotheke stellte sich darauf­hin die Frage, ob sie wirklich dazu verpflichtet ist, alle in Frage kommenden Import­präparate durch­zu­sehen und bei jedem die Verfüg­barkeit zu prüfen.

Das Wirtschaftlichkeits­gebot und die Apotheken­praxis

Das allgemeine Wirtschaftlichkeits­gebot ist unter anderem in § 12 des SGB V fest­ge­halten:

12 SGB V Wirtschaftlich­keits­gebot

„(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweck­mäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht über­schreiten. Leistungen, die nicht not­wendig oder un­wirtschaftlich sind, können Versicherte nicht bean­spruchen, dürfen die Leistungs­erbringer nicht bewirken und die Kranken­kassen nicht bewilligen.“

Die nähere Umsetzung ist in den Verträgen für die Apotheke jedoch oft nicht weiter geregelt. Im Rahmen­vertrag gibt es zwar eine Vereinbarung, wie bei Nicht­verfügbar­keiten vorzu­gehen ist und in welcher Form diese nachzu­weisen sind, jedoch gilt der Rahmen­vertrag bekannter­maßen für die Abgabe von Arznei­mitteln und die Suche nach aut-idem-fähigen Alternativen.

Bei Verband­stoffen kommen verschiedene Punkte erschwerend hinzu:

  • In der Apotheken-EDV gibt es bei Verband­stoffen (die der Klasse der Medizin­produkte ange­hören) keine Verknüpfung von Original und „zugehörigen“ Importen, die Apotheke muss also manuell nach Alternativen suchen.
  • Viele der Import­präparate sind nicht standardmäßig bei den Groß­händlern gelistet, die Apotheke erhält vom Groß­handel aber nur Defekt­meldungen für Präparate, die dort auch gelistet sind. So wäre es ein enormer Aufwand für Apotheken, für jeden Import auch noch direkt beim Hersteller anzu­fragen – die Zeit­verzögerung bei dieser von der GKV verlangten Vorgehens­weise für die Versorgung des Patienten wird hier auch nicht weiter berück­sichtigt.
  • Gerade bei Verband­stoffen liefert der Groß­handel oft automatisch eine Alternative, wenn das bestellte Präparat nicht gelistet/verfügbar ist. Verlässt sich die Apotheke darauf, ohne sorg­fältig zu prüfen, ob das Wirtschaft­lich­keits­gebot damit einge­halten wird, ist zwar der Patient versorgt, die Apotheke bleibt aber auf einem Teil der Kosten sitzen.

Unbestritten ist, dass die Apotheke auf dem Rezept eine Dokumentation für die Über­schreitung des Preis­ankers und der Nicht­verfügbarkeit hätte vor­nehmen sollen – dies ist gemäß § 6 Abs. 2g3 Rahmen­vertrag (der sich allerdings wie zuvor beschrieben auf die Arznei­mittel­be­lieferung bezieht) auch im Nachgang möglich. Es bleibt die Frage, ob die Kranken­kasse die Angabe der Sonder-PZN mit dem Faktor für die Nicht­verfügbar­keit eines Importes für ein Arznei­mittel bei einer Verband­stoff­verordnung akzeptiert hätte.

Importguthaben zählt nicht

Noch ein pikantes Detail: Die Apotheke weist in ihrem Einspruch auch darauf hin, dass sie bei der Krankenkasse ein enormes Importguthaben im fünfstelligen Bereich angesammelt hat. Es stellt sich die Frage, ob dies nicht dazu ausreichen sollte, um die Differenz im vorliegenden Fall auszugleichen. Zwar gilt auch die Verpflichtung zur Abgabe preisgünstiger Importe nur für Arzneimittel (und nicht für Verbandstoffe), jedoch zeigt das Guthaben der Apotheke, dass sie grundsätzlich bereit ist, Importe als preisgünstige Alternative abzugeben.

Im Endeffekt empfindet die Apotheke diese Retax aus nachvollziehbaren Gründen als Schikane, auch wenn wie zuvor geschrieben die eigentlich erforderliche Dokumentation vergessen wurde. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn auch die Krankenkasse berücksichtigt, wie enorm der Aufwand einer zeitnahen und korrekten Patientenversorgung für die Apotheken in diesem Fall und im Allgemeinen hinsichtlich der zahlreichen Lieferengpässe und Nichtverfügbarkeiten ist. Abhilfe würde für Verbandstoffverordnungen nur eine Originalverordnung schaffen – dann ergeben sich die oben beschriebenen Probleme für die Apotheke nicht.

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