Unbedeutender Formfehler! Trotzdem Nullretax wegen falschen Faktors bei Sonder-PZN

Entsprechend des gesetzlichen Auftrags wurde im Rahmen des Schiedsverfahrens ein neuer Rahmenvertrag vereinbart, um künftig die Patientenversorgung nicht mehr durch Retaxationen wegen „unbedeutender Formfehler“ zu behindern.

Hierzu wurden laut Kommentar zum Rahmenvertrag (Spiegelstrich 4 – unbedeutende Fehler) gemäß der Gesetzesbegründung zu § 129 Abs. 4 Satz 2 SGB V Beispiele vereinbart – welche jedoch nur den allgemeinen Maßstab für unbedeutende „Fehler“ beschreiben, die weder die Arzneimittelsicherheit, noch die Wirtschaftlichkeit einer Versorgung wesentlich tangieren.

Diese Vereinbarung wurde auch durch den GKV-Spitzenverband für alle gesetzlichen Krankenkassen unterschrieben. Offenbar wurde aber seitens bestimmter Krankenkassen versäumt, den „Geist“ der gesetzlich geforderten Entbürokratisierung auch ihren Retax-Prüfstellen mitzuteilen, denn seit mehr als 14 Monaten hat sich an deren Retaxverhalten kaum etwas geändert.

Daher sind wir leider auch von der optimistischen Aussage des DAV-Kommentars „Für alles Bekannte weist der Rahmenvertrag nunmehr Regelungen auf und garantiert Rechtssicherheit“ weiter entfernt, als dies für die tägliche Arzneimittelversorgung akzeptabel ist.

Dies zeigt auch die nachfolgende Nullretax, die ebenfalls nur auf einem „unbedeutenden Formfehler“ beruhte, aber dennoch zu einer Erstattungsverweigerung führte:

Krankenkasse: DAK Gesundheit (IK 104067996)
Verordnet:Unacid Pd Oral FTA N1 10 St.
Verordnungs- und Abgabedatum:23.11.2016

Die vorrangig abzugebende Rabattarznei der Krankenkasse war nicht verfügbar.
Dies hat die Apotheke durch die vorgeschriebene Dokumentation mit Sonder-PZN, Schlüsselfaktor und unterschriebener handschriftlicher Begründung „Nur Import lieferbar“ und einem Stempel „nach Rücksprache mit dem Arzt“ gekennzeichnet.

Wie in dem Ausschnitt an der DAP Arbeitshilfe erkennbar, ist der Apotheke bei der Bedruckung des „Schlüsselfaktors“ ein Irrtum unterlaufen: Statt des aufgedruckten Faktors „311“ hätte dort eigentlich „211“ stehen müssen:

Dies sollte eigentlich von der Krankenkasse als ein unerheblicher Formfehler behandelt werden, denn durch den handschriftlichen Vermerk „Nur Import lieferbar“ ist auch für die Krankenkasse zweifelsfrei erkennbar, dass hier der Faktor „311“ = „Nichtverfügbarkeit eines Importarzneimittels“ unsinnig und widersprüchlich ist. Stattdessen hätte die Apotheke „211“ = „Nichtverfügbarkeit eines rabattbegünstigten Arzneimittels“ aufdrucken müssen.

Anstatt die Apotheke ohne Retaxation in partnerschaftlichem Umgang auf ihr Versehen hinzuweisen, hat die Krankenkasse die Erstattung ihrer Versorgung verweigert:

In ihrem Einspruch hat die betroffene Apotheke darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt der dringend benötigten Antibiotikaversorgung ein Lieferproblem mit Arzneimitteln dieses Wirkstoffs bestand und sie nach Rückfrage bei diversen Lieferanten froh war, den Patienten mit dem einzigen vorrätigen Präparat (einem Importprodukt) versorgen zu können.

Leider wurde infolge der intensiven Diskussion mit Arzt und Patient irrtümlich der falsche Schlüsselfaktor Faktor 3 („Import nicht lieferbar“) statt Faktor 2 („Rabattarznei nicht lieferbar“) aufgedruckt. Da sich der zutreffende Faktor auch aus dem handschriftlichen Vermerk ergibt, bittet die Apotheke ihr Engagement, eine unverzügliche Lösung für den Patienten zu finden, nicht auch noch durch eine Erstattungsverweigerung zu bestrafen.

Der neue § 3 (1) 7c Rahmenvertrag würde der Apotheke im „Beanstandungsverfahren“ sogar dann einen Vergütungsanspruch zusprechen, wenn Sonderkennzeichen und Vermerk völlig gefehlt hätten:

3 Zahlungs- und Lieferanspruch

„(1) […] Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
7c. die Apotheke in den Fällen des § 4 Absatz 2 Satz 2 (Nichtverfügbarkeit), des § 4 Absatz 3 Sätze 1 und 2 (Akutversorgung, Notdienst) sowie des § 4 Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 17 Absatz 5 ApBetrO (pharmazeutische Bedenken) dieses Vertrages

(1) entweder nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder
(2) nur einen Vermerk auf der Verordnung aufträgt oder
(3) im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung fehlen, einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt; […].“

Sowohl Sonderkennzeichen als auch Vermerk wurden auf dieser Verordnung vermerkt, daher bleibt zu hoffen, dass sich die Krankenkasse nicht darauf berufen wird, dass der Fall eines versehentlich falsch angegebenen Schlüsselfaktors vertraglich nicht ausdrücklich geregelt wurde und ihre Retax weiterhin aufrecht erhält.

Wir werden gegebenenfalls über den Fortgang dieser Retax berichten.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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