Therapiehoheit des Arztes vs. § 6 Rahmenvertrag

Einige Apothekerverbände rieten ihren Mitgliedern in der Vergangenheit, verordnete Mengen eines Rezeptes zu addieren und dann zu beurteilen, ob die größte Messzahl überschritten sei.

Dies ist auch eine retaxsichere Variante, entspricht jedoch nicht immer dem Willen des Arztes.

Gemäß § 6 Abs. 3 Rahmenvertrag dürfen nach Stückzahl verordnete Mengen oberhalb der größten Messzahl (Nmax) nur abgegeben werden, wenn es sich um vielfache Mengen dieser Messzahl handelt:

6 Abs. 3 Rahmenvertrag

„Überschreitet die nach Stückzahl verordnete Menge die größte für das Fertigarzneimittel festgelegte Messzahl, ist nur die nach der geltenden Packungsgrößenverordnung aufgrund der Messzahl bestimmte größte Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge abzugeben. Ein Vielfaches der größten Packung darf nur abgegeben werden, soweit der Vertragsarzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abgabe der verordneten Menge hingewiesen hat.“

Der Fall

Nach diesem Paragraphen und der vermeintlichen Additionsregel beurteilte auch die retaxierende Krankenkasse die folgende Verordnung zulasten der BKK Gildemeister Seidensticker (IK 103724272).

Verordnung:

Addition/verordnete Gesamtmenge:

Lauer-Taxe online (Stand 02/2016):

Retaxation:

Retaxiert wurde auf den Preis der N3-Packung, da die Gesamtmenge von zwei N2-Packungen die größte Messzahl (Nmax) von 180 Einzeldosen für Tiotropium überschritten hatte.

Die größte Messzahl (180 ED) wurde insgesamt, addiert man die Mengen der verordneten Packungen (2 x 120 ED = 240 ED), zwar überschritten, jedoch wurden mit ärztlichem Vermerk „!“ bewusst zwei N2-Packungen verordnet.

Nach einem BSG-Urteil von 2006 kann der Arzt durch einfache Zusätze auf dem Rezept erkennbar machen, dass seine Verordnung von den Stückelungsvorgaben oberhalb der größten Messzahl bewusst abweicht (wie hier durch das „!“) und die Abgabe einer genau bestimmten Medikamentenmenge gewünscht ist.

In solch einem Fall sollte die Apotheke Rücksprache mit dem Arzt halten und diese auf dem Rezept dokumentieren.

Durch diese Verfahrensweise wird sowohl die Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln gesichert als auch garantiert, dass der Vertragsarzt weiterhin als „Schlüsselfigur“ der Arzneimittelversorgung für die Verordnung verantwortlich bleibt und jeweils das Medikament und die Dosierung bestimmt, welche er bei der diagnostizierten Krankheit als medizinisch notwendig erachtet (BSG, Urteil vom 03. August 2006 – B 3 KR 7/05 R).

Hätte der Arzt nicht explizit zwei Packungen verordnet, sondern eine Gesamtmenge Spiriva „4 x 4 ml“, so hätte § 6 Abs. 3 Rahmenvertrag gegriffen und nur die Abgabe einer Nmax-entsprechenden Menge wäre korrekt gewesen.

Da hier jedoch eine bestimmte bzw. eindeutige Packungsmenge verordnet wurde, die der Arzt zusätzlich mit einem Vermerk („!“) versehen hat, der erkennen lässt, dass er hier bewusst von den üblichen Stückelungsregelungen abweicht, ist diese Retaxierung u. E. zurückzunehmen!

Ihr DAP Team

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