Sonder-PZN und Vermerk: § 3 (1) RahmenV eröffnet neue Einspruchsmöglichkeiten

Mit Erleichterung konnte die Apothekerschaft die Klarstellung des Schiedsgerichts lesen, dass die Neuregelung des Rahmenvertrags gemäß § 129 SGB V auch rückwirkend für alle Versorgungen nach dem 23.07.2015 anzuwenden ist. Insbesondere einige Ersatzkassen hatten bereits kurz nach Bekanntgabe des neuen Rahmenvertrags zum 01.06.2016 mitgeteilt, dass sie alle Versorgungen vor dem 01.06.2016 auch weiterhin nach den Regelungen des alten Rahmenvertrags retaxieren werden und dies auch entsprechend gehandhabt.

Diese Praxis muss nun beendet werden. Zudem eröffnet dieser Schiedsgerichtsentscheid den Apotheken auch neue Einspruchsmöglichkeiten gegen zahlreiche Retaxationen, die nach dem 23.07.2015 aufgrund der alten Vertragsvereinbarungen ausgesprochen wurden, jedoch nach dem neuen Rahmenvertrag keine undifferenzierte Retax mehr begründen.

Eines dieser Beispiele erreichte kürzlich das DAP-Retaxforum:

Krankenkasse: VIACTIV Krankenkasse (IK 104526376)
Verordnet:Orencia 250 mg Pulver FL, PIK, 3 x 250 mg N2
Verordnungsdatum:07.04.2016

Die im Auftrag der VIACTIV Krankenkasse tätige Protaxplus verweigerte der Apotheke die Erstattung ihrer erfolgten Versorgung in Höhe von 1.643,99 Euro mit der Begründung „Nichtberücksichtigung Rabattvertrag“:

Aktuell wird uns eine wirkstoffgleiche Import-Rabattarznei der „VIACTIV Krankenkasse“ angezeigt (1. Zeile, mit rotem „%“-Rabattsymbol): 

Bei dem verordneten Arzneimittel handelt es sich jedoch um ein biologisch hergestelltes Präparat. Bis dato wird zwar überwiegend von einer gegenseitigen Austauschbarkeit zwischen Original und Import ausgegangen, es fehlt den ApothekerInnen jedoch nach wie vor eine klärende Stellungnahme in der Anlage 1 des Rahmenvertrags, dass die Apotheke immer davon ausgehen darf, dass diese den Austauschkriterien des § 4 (1) a Rahmenvertrag entsprechen:

4 (1) a Rahmenvertrag

„Wirkstoffgleich sind auch biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, sofern diese auf das jeweilige Referenzarzneimittel Bezug nehmend zugelassen sind und sich in Ausgangsstoffen und Herstellungsprozess nicht unterscheiden; die Verpflichtung der Apotheke zur Berücksichtigung dieser Arzneimittel bei der Auswahl besteht für in Anlage 1 in der jeweils gültigen Fassung als untereinander wirkstoffgleich aufgeführte Arzneimittel.“

Da auch für die Anbieter der Apotheken-Software diese Klarstellung fehlt, wäre es durchaus möglich, dass der Apotheke zum Abgabezeitpunkt kein Rabattvertragshinweis angezeigt wurde. Dieses nachträglich zu überprüfen und nachzuweisen, ist jedoch für die Apotheke schwierig bis unmöglich. Für die vorliegende Retaxation wäre es außerdem unerheblich, da Einsprüche mit dieser Begründung ohnehin nicht anerkannt werden, da die Krankenkassen nur für die rechtzeitige Meldung ihrer Rabattverträge, nicht jedoch für die korrekte EDV-Anzeige verantwortlich sind.

Welche Einspruchsmöglichkeiten regelt der § 3 (1) 7 c (3) des neuen Rahmenvertrags?

Hier wurde vereinbart, dass die Apotheke bei Nichtverfügbarkeit, Akut- und Notdienstversorgung oder Pharmazeutischen Bedenken trotz fehlendem Sonderkennzeichen, fehlendem Vermerk oder gar beidem nicht retaxiert werden darf.

3 (1) 7 c Rahmenvertrag

„(1) Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn
- es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
7. bezogen auf den Rahmenvertrag
c. die Apotheke in den Fällen des § 4 Absatz 2 Satz 2 (Nichtverfügbarkeit), des § 4 Absatz 3 Sätze 1 und 2 (Akutversorgung, Notdienst) sowie des § 4 Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 17 Absatz 5 ApBetrO (pharmazeutische Bedenken) dieses Vertrages
(1) entweder nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder
(2) nur einen Vermerk auf der Verordnung aufträgt oder
(3) im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung fehlen, einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt […].“

In unserem Fall wurde weder ein Vermerk, noch ein Sonderkennzeichen angebracht. Da die Nichtabgabe des Rabattartikels nicht ohne Grund erfolgte, hat die Krankenkasse natürlich ein berechtigtes Interesse, diesen Grund durch einen „objektivierbaren Nachweis“ im „Beanstandungsverfahren“ zu erfahren.

Dies bedeutet, dass – im Gegensatz zu den Punkten a) und b) – bei völlig fehlender Begründung zwar zunächst eine Retaxation erfolgen darf, diese jedoch bei Vorlage des erforderlichen Nachweises zurückzunehmen ist.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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