Rezeptfälschung-Retax: Welche Prüfungssorgfalt ist angemessen und praktikabel?

Ein Retaxproblem, über das wir schon vor zehn Jahren berichten mussten, gerät derzeit wieder verstärkt in den Fokus der Prüfungsdienstleiter: Rezeptfälschungen. Dabei beschäftigt uns und auch die betroffenen Apotheken die bis dato noch nicht eindeutig geklärte Frage, wie weit und wie umfassend eine sorgfältige Prüfung in der Apotheke sein kann und muss.

Die hierzu vereinbarten Vertragsregelungen und auch die gesetzliche Vorgabe in der ApBetrO lassen den Rezeptprüfern einen breiten Spielraum, den diese nicht selten „ad libitum“ nutzen, um den durch eine Fälschung entstandenen finanziellen Schaden an die versorgende Apotheke weiterzureichen.

Was von manchen Krankenkassen dabei als erkennbares Fälschungskennzeichen angesehen wird, zeigt das folgende Retaxbeispiel:

Krankenkasse: AOK Rheinland/Hamburg
Verordnet:Zopiclon 7,5 mg 20 St. Abz (mit Aut-idem-Kreuz)
Verordnungs- und Versorgungsdatum:21.11.17

Vorab meine Frage an unsere Mitgliedsapotheken und Newsletter-Abonnenten:

Hätten Sie diese Muster-16-Verordnung als Fälschung erkannt?

Mit Ausnahme des verordneten Hypnotikums – welches mitunter auch missbräuchlich verwendet wird und daher eine nochmalige Prüfung in der versorgenden Apotheke veranlasste – ergaben sich dort keine weiteren „Verdachtsmomente“:

  • Alle Rezeptangaben sind absolut professionell aufgedruckt!
  • Die Schriftgröße stimmt mit den vorgeschriebenen Schriftgrößen überein.
  • Die bedruckten Felder sitzen korrekt in den vorgegebenen Feldern.
  • Die Art des Eindrucks entspricht einem korrekt ausgefüllten Arztrezept.
  • Die Arztdaten stammen von einer tatsächlich existierenden Arztpraxis.
  • Der aufgedruckte „Arztstempel“ ist korrekt mit allen erforderlichen Angaben.
  • Alle drei aufgedruckten Betriebsstättennummern (XXXXXX300) stimmen überein.
  • Es sind keinerlei Manipulationen (z. B. Entfernung eines anderen Aufdrucks) erkennbar.
  • Die Verordnung wurde nicht zu einem verdächtigen Zeitpunkt vorgelegt, an dem die Apotheke keine Möglichkeit gehabt hätte, mit dem Arzt Rücksprache zu halten.

Dieses Rezept wurde übrigens auch von den „Profis“ in der Rezeptabrechnung und Kontrolle mit deren Magnetcodelesern zunächst nicht als Fälschung erkannt! In der Regel werden derart professionelle Fälschungen erst dann von den Rezeptprüfern entdeckt, wenn der oder die Rezeptfälscher festgenommen werden und die Prüfer daraufhin gezielt nach deren Fälschungen suchen.

Wie also hätte die betroffene Apotheke – bei für sie nicht erkennbaren Fälschungskennzeichen – diese Fälschung als solche identifizieren können? Auch keine der in der DAP Retax-Arbeitshilfe “Rezeptfälschung“ aufgeführten Fälschungskriterien wurden auffällig.

Daher bat die betroffene Apotheke die Retaxstelle um eine schriftliche Aufklärung:

Die ablehnende Antwort an den Verband der Apotheke erstaunte nicht nur die Apotheke, sondern auch das DAP-Team, obwohl wir naturgemäß bei Einspruchsablehnungen einiges gewohnt sind:

Weder das oben zitierte Urteil von 2007 noch die im Zusammenhang mit Rezeptfälschungen bisher bekannt gewordenen Fälschungsmerkmale waren identisch mit den von der Krankenkasse beanstandeten Merkmalen,

  • der Arztstempel sei „unüblich“ formatiert,
  • das verordnete Medikament sei „auffällig geschrieben“,
  • bei der Milligrammbezeichnung seien überflüssige Leerzeichen vor und nach dem Komma angebracht,
  • der Status im Adressfeld sei zweistellig mit einer nicht existenten Statusziffer („14“)
  • es befinde sich ein Rechtschreibfehler in der Adressangabe (XXXXXrstr. statt XXXXXr Str.) sowie im Arztstempel (XXXXXrstr. statt XXXXXr Str.).

Abschließend teilt die Krankenkasse daher dem Apothekerverband der Apotheke mit:

Mit Ausnahme der zweistelligen Statusziffer können wir allerdings keines der aufgeführten angeblichen „Fälschungsmerkmale“ nachvollziehen. Und auch bei der Statusziffer besteht nach meiner Einschätzung für die Apotheke weder eine Kenntnis der von den Kassen genutzten Kennziffern noch eine vertragliche oder gesetzliche Prüfpflicht.

Würden wir in unseren Apotheken alle unüblichen oder auffälligen Formatierungen und Schreibweisen oder die Schreibweise der Straßennamen als Fälschungsmerkmale ansehen, dann müssten wir wohl künftig die Versorgung der Hälfte unserer Rezepte zunächst ablehnen:

Wenn wir es ebenfalls auf die Spitze treiben würden, dann müsste die retaxierte Apotheke zunächst einmal prüfen, ob das Retaxschreiben der Krankenkasse nicht ebenfalls eine Fälschung ist, wie man beim Blick auf die Straßenangabe im Adressfeld vermuten könnte:

Hoffen wir, dass es auch hierzu künftig eine praktikable Vertragsvereinbarung – am besten auf Ebene des Rahmenvertrags – geben wird, die letztlich nicht der willkürlichen Meinung einzelner Krankenkassen, sondern konkreten, versorgungsrelevanten Kriterien unterliegt.

Da diese Verordnungen häufig sehr teure Medikamente betreffen, wären ansonsten unzählige Verordnungen ein nicht vertretbares finanzielles Risiko für die Apotheken.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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