Keine schöne Bescherung: Eine 25.000 Euro Retax

Es gibt Weihnachtsgeschenke, die kann man weder umtauschen noch weiterverschenken. Zu diesen zählen auch Retaxationen der Krankenkassen – insbesondere dann, wenn diese trotz pharmazeutisch korrekter Versorgung auch noch eine existenzbedrohende Höhe erreichen. Denn dann stellt sich in der Tat die Frage, wie insbesondere kleinere Apotheken unter solchen Bedingungen künftig weiterhin ihren Beitrag zur Arzneimittelversorgung leisten können.

Krankenkasse:AOK Bayern 108310400
Verordnet:3 hochpreisige Virostatika :
Ribavirin 200 mg, Daklinza 60 mg, Sovaldi 400 mg Filmtabl.
Abgabedatum:15.03.2016

Eine sehr hochpreisige Versorgung (26157,65 Euro) einer Hepatitis-C-Heimpatientin, deren Erstattung die AOK Bayern verweigerte, da der verordnende heimversorgende Arzt versäumt hatte, seine Verordnung zu unterschreiben. 

Dass die Verordnung im Rahmen der Heimversorgung durch den Arzt persönlich vorgelegt und vor dem Heimbesuch auch persönlich abgeholt wurde, wurde von der AOK BY nachträglich nicht anerkannt:

Aus der Einspruchsablehnung der AOK:

Die Begründung der AOK Bayern ist nicht zu beanstanden, denn auch im aktuellen Arzneimittelversorgungsvertrag für Bayern ist die ärztliche Unterschrift wesentlicher Bestandteil einer „ordnungsgemäßen Verordnung“ § 3 (1), die erst den vertraglichen Zahlungsanspruch der Apotheke begründet.

§ 3 (2) f nennt hierzu ausdrücklich die erforderliche Arztunterschrift, ohne dass hierzu eine nachträgliche „Heilungsmöglichkeit“ durch Beibringen einer Arztbestätigung vereinbart wurde:

f) Unterschrift des Vertragsarztes


Auch die AMVV (Arzneimittelverschreibungsverordnung) zählt eine fehlende Unterschrift (Absatz 1 Nr. 10) nicht zu den Angaben, die die Apotheke selbst in Rücksprache ergänzen darf: 

2 (6) AMVV:

„Fehlt das Geburtsdatum der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist, oder fehlen Angaben nach Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 oder sind sie unvollständig, so kann der Apotheker, wenn ein dringender Fall vorliegt und eine Rücksprache mit der verschreibenden Person nicht möglich ist, die Verschreibung insoweit ergänzen.“

Es ist somit unstrittig, dass sich die retaxierende Krankenkasse auf rechtlich sicherem Boden befindet. Nicht ganz zutreffend ist, dass es für die retaxierende Krankenkasse „trotz verständnisvoller Betrachtung“ keine Möglichkeit gäbe, von der „Absetzung Abstand zu nehmen“:

Der rechtlich ermächtigte, im Schiedsverfahren vereinbarte, neue § 3 (1) des Rahmenvertrags bietet der Krankenkasse nun durchaus eine Möglichkeit, auf diese existenzbedrohende Retaxation ganz oder teilweise zu verzichten:

3 (1) Zahlungs- und Lieferanspruch

„Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn

[...]

  • die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten,
  • es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“

Beide Voraussetzungen für ein Entgegenkommen der AOK Bayern sind hier erfüllt:

  • da die Verordnung durch den Arzt persönlich an den Apotheker übergeben und auch von diesem persönlich abgeholt wurde, kann die Kasse sich in diesem Sonderfall wohl kaum auf eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit berufen.
  • zudem ist der Kasse durch die pharmazeutisch ordnungsgemäße Versorgung kein wirtschaftlicher Schaden entstanden.

Wenn die Krankenkasse in diesem begründeten Sonderfall ihre Möglichkeit, ganz oder teilweise auf diese existenzbedrohende Retaxation zu verzichten, nicht wahrnimmt, bleibt nur noch, sich der Meinung des verordnenden Arztes anzuschließen: Diese Regressforderung von über 25.000 Euro ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch aus Gründen der Fairness absolut inakzeptabel.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP-Retaxforum

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