Kasse entscheidet über die „Dringlichkeit“ einer Verordnung

Wir müssen leider täglich den Berichten unser Forumsmitglieder und den Retaxberichten in den DAP Retax-News entnehmen, wie der zunächst positiv begrüßte neue Rahmenvertrag (gem. Schiedsvertrag) Stück für Stück von einzelnen Krankenkassen infrage gestellt oder uminterpretiert wird:

Diese Liste lässt sich beliebig aus dem DAP Retaxfall-Archiv fortführen. Eine neue Variante ist jedoch der nachfolgende Retaxfall, der dem Retaxforum von einem betroffenen Kollegen gemeldet wurde.

Der Fall

Bei dieser Retaxation entscheidet offenbar neuerdings weder der behandelnde Arzt noch die versorgende Apotheke, sondern die Rezeptprüfstelle der Krankenkasse, ob die erfolgte Sonntagsversorgung dringlich war oder nicht!

Bei dieser an einem Sonntag (22.01.2017) ausgestellten und an selbigem Sonntag im Apotheken-Notdienst erfolgten Versorgung eines 10-jährigen Kindes verweigert die Krankenkasse die Erstattung der Notdienstgebühr in Höhe von 2,50 Euro, weil das „noctu-Kästchen“ durch den Arzt nicht angekreuzt wurde:

Nun erlauben leider immer noch zahlreiche Regionalverträge diese Retaxation über 2,50 Euro gemäß der Aufschrift auf der Rückseite der Muster-16-Rezepte:

Dies gilt jedoch nicht für den Regionalvertrag Bayern, der aufgrund dieser immer wieder verkommenden Noctu-Retaxationen in § 4 (9) eine neue, praxisnähere Vertragsvereinbarung vorgenommen hat:

4 (9) Regionalvertrag Bayern

„Das Entgelt nach § 6 der Arzneimittelpreisverordnung in der jeweils geltenden Fassung kann unter den dort bezeichneten Voraussetzungen mit der Krankenkasse abgerechnet werden, wenn der Vertragsarzt den vorgeschriebenen Notdienstvermerk angebracht hat oder aus den besonderen Umständen des Einzelfalles erkennbar ist, dass es sich um eine dringliche Verordnung handelt.

Da die allgemein übliche Retaxbegründung „kein noctu-Kreuz, keine Notdienstgebühr von der Krankenkasse“ in Bayern nicht mehr ausreicht, bleibt der Krankenkasse nur noch die nicht explizit definierte „Dringlichkeit“ infrage zu stellen und genau dies ist in der Einspruchsablehnung der BKK Mobil Oil erfolgt.

Die Verordnung wurde erkennbar an einem Sonntag vom Arzt ausgestellt und am Sonntag von der Apotheke beliefert. Der Krankenkasse reichte dies aber nicht aus, um von einer „dringlichen Verordnung“ auszugehen, denn nach deren Ansicht bleibt ein rezeptfreier Hustensaft keine „Notfallverordnung“:

Nun wird vermutlich selten eine Apotheke wegen 2,50 Euro vor ein Sozialgericht ziehen. Diese „eigenwillige“ Vertragsauslegung im Sinne aller Apotheken mit ähnlichen Regionalvereinbarungen zu klären, wäre Aufgabe des jeweiligen Apothekenverbandes.

Dennoch bleibt die Frage, wie die Eltern des behandelten Kindes reagieren, wenn die Apotheke ihnen diese Auskunft ihrer Krankenkasse mitteilen muss, denn da es sich um eine gesetzlich bestimmte Zuzahlung handelt, muss die Apotheke die nicht bezahlte „Noctu-Gebühr“ leider den Eltern in Rechnung stellen. Ein Wahlrecht, auf eine gesetzliche Zuzahlung zu verzichten, steht der Apotheke nicht zu.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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