Humira-Retax wegen abweichender Darreichungsformen

Wie schon in der vergangenen Woche könnte man auch den heutigen Newsletter mit der Überschrift „Augen auf beim Biologika-Austausch“ betiteln – denn auch diesmal geht es um ein biotechnologisch hergestelltes Arzneimittel.

Fertigpens oder Fertigspritzen?

Eine Apotheke hatte im Oktober 2022 eine Verordnung über „Humira 40 mg/0,4 ml 101 Care Inj.-Lsg. 6 Fertigpens N3“ erhalten. Da keine PZN aufgedruckt war, wurden anstelle der Fertigpens versehentlich Fertigspritzen ausgewählt. Der Kundin war egal, ob sie Spritzen oder Pens erhält, daher gab die Apotheke „Humira 40 mg/0,4 ml Injektionslösung in Fertigspr. 6 St. N3 Axicorp“ ab.

Im Nachgang erhielt die Apotheke allerdings eine Nullretax mit der Begründung: „Rezeptbelieferung stimmt nicht mit der Verordnung überein. Das belieferte Arzneimittel ist gem. § 129 Absatz 1a Satz 1 SGB V nicht mit dem verordneten austauschbar (AM-RL Anlage VII – Teil A Hinweis zur Austauschbarkeit von Darreichungsformen).

Darreichungsform für beide Präparate: „ILO“

Die Überprüfung in der Lauer-Taxe lässt folgende Schlüsse zu: Die Argumentation der Krankenkasse ist anfechtbar, denn nach den Informationen der Taxe haben beide Arzneimittel tatsächlich eine identische Darreichungsform, die unterschiedliche „Handhabung“ ist nur anhand der Arzneimittelbezeichnung erkennbar. Für beide Präparate ist das Darreichungsformkürzel „ILO“ angegeben und in den Basisinformationen ist auch bei beiden Präparaten als Darreichungsform „Injektionslösung“ angegeben. Zudem berichtet die Apotheke, dass es für beide Präparate auch nur eine gemeinsame Fachinformation gibt, die als Darreichungsform „Injektionslösung (Injektion)“ angibt. Der Hinweis der Retaxbegründung, dass in Anlage VII Teil A der AM-RL der Wirkstoff Adalimumab nicht zu finden ist, ist zwar korrekt – aber laut Taxe wurden ja keine voneinander abweichenden Darreichungsformen abgegeben. In beiden Fällen handelt es sich um eine Injektionslösung.

Allerdings bringt die Suche nach wirkstoffgleichen Präparaten in der Taxe ausgehend von den verordneten Fertigpens auch nur Fertigpens als Ergebnis, die Suche ausgehend von Fertigspritzen listet wiederum nur Fertigspritzen auf. Daher bleibt die Frage, warum hier offenbar – trotz übereinstimmender Darreichungsformen – kein Austausch erlaubt ist.

Keine Austauschbarkeit nach Anlage 1 Rahmenvertrag

Hier ist die Ursache vermutlich in den Eigenschaften der Biologika zu finden: Für den Wirkstoff Adalimumab ist in Anlage 1 des Rahmenvertrags kein Eintrag zu finden. Dies bedeutet, dass kein Austausch auf andere wirkstoffgleiche Präparate erlaubt ist. Da Fertigspritzen und Fertigpens jeweils als eigene Arzneimittel gemeldet sind, müsste hier auch erst eine Austauschbarkeit in besagter Anlage definiert werden, bevor dieser durch die Apotheke vorgenommen werden dürfte. Ist ein Wirkstoff einmal in Anlage 1 aufgenommen, so ist ein Austausch auch dann möglich, wenn in der Taxe abweichende Darreichungsformen angegeben sind, denn maßgeblich ist dann laut § 9 Abs. 3 Buchst. d Rahmenvertrag die Angabe in Punkt 3 der Fachinformation (dabei handelt es sich um die Definition der Darreichungsform): „gleiche oder austauschbare Darreichungsform, dabei gelten folgende Kriterien: […] die in Anlage 1 genannten wirkstoffidentischen biotechnologisch hergestellten Arzneimittel mit gleicher Darreichungsform laut Punkt 3 der Fachinformation sind unabhängig von der im Preis- und Produktverzeichnis gemeldeten Darreichungsform austauschbar […]“

Retax: sachlich korrekt, Begründung falsch

Abschließend bleibt daher festzuhalten, dass die Krankenkasse zwar mit ihrer Retax Recht hat: Die Apotheke hätte die verordneten Fertigpens nur gegen andere Fertigpens aus der vorliegenden Original-Import-Gruppe austauschen dürfen. Dabei wären zum Abgabezeitpunkt die Fertigpens von axicorp auch noch Rabattarzneimittel gewesen. Die abgegebenen Fertigspritzen waren zwar auch rabattiert, hätten aber nicht anstelle der Pens abgegeben werden dürfen.

Doch eine Retax mit falscher Begründung ist nicht zulässig. Außerdem kann argumentiert werden, dass der Krankenkasse kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist und die Arzneimitteltherapie ebenso wenig gefährdet war, da der Patient (bzw. die Mutter) mit der Abgabe der Spritzen einverstanden und mit der Anwendung vertraut war.

Die Apotheke legt daher Einspruch gegen diese enorm hochpreisige Retax ein und es bleibt abzuwarten, ob die Krankenkasse einlenkt und gegebenenfalls zumindest einen Teil der Kosten erstattet.

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