Darf hier wirklich ausgetauscht werden?

Mitunter kommen selbst die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen des DAP Retax-Forums ins Grübeln, wenn ihnen ihre EDV eine Substitution vorgibt, obwohl nicht erkennbar ist, ob diese den gesetzlichen und vertraglichen Austauschkriterien entspricht. Besonders problematisch wird dies, wenn ein angeblich erforderlicher Austausch die Arzneimittelsicherheit gefährden kann.

Der Fall

Folgende E-Mail erreichte den Moderator des DAP Retax-Forums:

„[…] Wir hatten kürzlich anhängendes merkwürdiges Rezept. ADG Hotline habe ich schon zur Prüfung informiert. […] Bei meiner Version wird zum verordneten AM ein RV der AOK angezeigt, der eine ganz andere Konzentration hat (5x konzentrierter!), sodass eine Dosierungsanpassung nötig wäre.“

Krankenkasse: AOK Nordost (IK 100395611)
Verordnet:Valproat-Neurax 60 mg/ml LSE N2 250 ml
Abgabe wie verordnet, aber mit „Pharmazeutischen Bedenken“:07.07.2017

Die Apotheken-Software zeigt in der Tat einen erforderlichen Austausch der verordneten Valproat-Lösung mit 60 mg/ml und 250 ml Packungsinhalt (Zeile 5) gegen die Rabattarznei mit 5-fach höherer Dosierung 300 mg/ml und 100 ml Packungsinhalt (Zeile 1) an:

Ein Arzneimittelrisiko ist bei einer vorgeschriebenen Substitution auf ein 5-fach höher dosiertes Arzneimittel nur dann zu vermeiden, wenn die Apotheke den Patienten auf die erforderliche Dosisanpassung ausführlich hinweist, er diese Hinweise auch nachvollziehen kann und erkennbar berücksichtigen wird. Da dies nicht gewährleistet war, hat sich die hier betroffene Apotheke nach der erfolgten Beratung entschlossen, „Pharmazeutische Bedenken“ anzumelden (siehe Rezeptabbildung oben).

Zwar werden bei der Versorgung mit dem eigentlich abzugebenden Präparat Warnhinweise durch die Apotheken-EDV angezeigt:

Dennoch müsste die Apotheke aufgrund des vorgeschriebenen Austauschs gegen das höher konzentrierte Rabattarzneimittel die Abgabe des ärztl. verordneten Präparates ausführlich begründen, wie aus folgendem Hinweis ersichtlich wird:

Um diese ungewöhnliche Austauschmöglichkeit zu klären, hatte sich die Apotheke an ihr Softwarehaus gewandt. Dort erhielt sie folgende Antwort:

„Sehr geehrter Herr Dr. …,
vielen Dank für Ihre Nachricht an unsere ADG Hotline.
Diese Änderung wurde am 15.05.2017 in das System eingepflegt und war eine Vorgabe der ABDATA, da die Artikel mit einer Dosierungsanpassung als austauschbar gelten. Vorher wurden diese Artikel nicht als austauschbar angezeigt.“

Zu Recht stellt sich die betroffene Apotheke die Frage:

„Also dann könnte ich doch bei einer Verordnung von Ibu 400 3 x 1 auch meinen Ladenhüter Ibu 800 mit der Dosierungsanpassung auf 3 x 0,5 abgeben? Das wird natürlich nicht angezeigt […]“

Und der Kollege weist verständnislos darauf hin, dass wir Apotheken der Arzneimittelsicherheit zu Recht einen hohen Stellenwert einräumen, aber andererseits sinnlos austauschen müssen, mit Verunsicherung der Patienten und Schaffung von Fehlerquellen.

Daher hat er sich auch an die ABDATA gewandt und um entsprechende Information gebeten.
Hier ein Auszug aus der Antwort der ABDATA:

„Vielen Dank für Ihre Anfrage, deren Inhalt uns häufiger beschäftigt hat. Ich kann Sie aber dahingehend beruhigen, dass zur Zeit diese Konstellation in den Daten der deutschen Fertigarzneimittel hinsichtlich Austauschkriterien des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V einzigartig ist:

  • Gleicher Wirkstoff Valproat
  • Gleiche absolute Dosismenge 300 mg
    (aber relativ abweichend: 300 mg/1 ml und 300 mg/5 ml)
  • Gleiche gemeldete Darreichungsform (Punkt 3 der Fachinformation) Lösung zum Einnehmen (obwohl anhand der Hilfsstoffzusammensetzung und der beigefügten Dosierhilfen erkenntlich ist, dass Tropfen und Saft vorliegen; regulatorisches Problem)
  • Gleiches Packungsgrößenkennzeichen N2 (obwohl aufgrund unterschiedlicher Volumina unterschiedlichen Positionen der PackV zugeordnet:
    a) [bis 3 ml] 100 ml und
    b) [bis 5 ml] 250 ml)
  • Mindestens ein übereinstimmendes Indikationsgebiet:
    z. B. generalisierte Anfälle […]

Diese Konstellation wurde den Vertragspartnern des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V, dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband vorgelegt. Ein generelles Austauschverbot wurde verneint, jedoch vereinbart, dass wir den Softwarehäusern empfehlen, dass folgende Anzeige im Kassensystem erscheint:
„Abweichende Angaben zur Wirkstoffkonzentration/Dosiseinheit!
Beim Austausch prüfen, ob die Dosierung angepasst werden muss!“
[…]
Damit sollten Sie als zum Austausch aufgeforderter Apotheker den Hinweis erhalten, dass entweder die Dosis angepasst werden muss oder Pharmazeutische Bedenken geltend zu machen sind.“

Trotz dieser ausführlichen Stellungnahme der ABDATA bleibt im Interesse der Arzneimittelsicherheit ein unangenehmes Gefühl angesichts der zahlreichen Einschränkungen durch „aber“ und „obwohl“.

Daher bleibt uns derzeit nur, die Apotheken auf dieses Problem nachdrücklich hinzuweisen und zu bitten, entsprechend zu prüfen, ob „Pharmazeutische Bedenken“ erforderlich sind.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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