Sichtvergabe und BtM-Doku weiterhin zum Spartarif?

Dass GKV-Kassen sparsam mit den ihnen anvertrauten Versichertenbeiträgen umgehen müssen, ist selbstverständlich und unbestritten, aber dass manche Kassen dies bei den Apotheken tun, die freiwillig ihre Zeit und ihr Personal in den aufwendigen Dienst der gesellschaftlich und politisch gewollten BtM-Sichtvergabe stellen, ist eigentlich nur noch beschämend.

Aufgrund der aktuellen Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) wurde die Dokumentationsvergütung je BtM-Abgabe von zuvor 26 Cent auf 2,91 Euro in § 7 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) erhöht.

Aber offensichtlich sind manche Krankenkassen trotz nunmehr eindeutiger Vorschriften weiterhin der Meinung, dass auch mehrfach durchgeführte und zu dokumentierende Sichtabgaben mit lediglich einmalig 2,91 Euro ausreichend vergütet sind, denn immer noch erreichen uns Retaxationen zu diesem Vorgehen:

Krankenkasse: Kaufmännische Krankenkasse
BtM-Verordnung:24 ED (Einzeldosen) à 25 mg Levomethadon-HCL 5 mg/ml
tgl. 5,0 ml L-Polamidon
Sichtbezug 01. bis 31.12.
Außer 02./09./16./23./25./26./30.12.2018

Außer an den genannten sieben Tagen hatte die Apotheke täglich 5 ml L-Polamidon Lösung unter Sichtkontrolle abzugeben, auch am Heiligen Abend und an Silvester.

Für diese 24 Sichtvergaben und die jeweils erforderliche Dokumentation hatte die Apotheke 24 x 2,91 Euro = 69,84 Euro in Rechnung gestellt – eine Honorierung, die angesichts des erforderlichen Zeitaufwands an 24 Abgabetagen wohl noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen dürfte.

Dennoch hält die KKH diese Abrechnung nicht für angemessen und retaxierte die Abgabevergütung wegen „unzulässiger Höhe der BtM-Gebühr“ auf einmalig 2,91 Euro, was einen Abzug von 66,93 Euro zur Folge hatte:

Eigentlich ist die Vergütung der Apotheke mittlerweile eindeutig an jede ABGABE gekoppelt. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben und vor Gericht mittlerweile auch bestätigt:

Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV)

7 Betäubungsmittel und Arzneimittel nach § 3a der Arzneimittelverschreibungsverordnung

„Bei der Abgabe eines Betäubungsmittels, dessen Verbleib nach § 1 Absatz 3 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung nachzuweisen ist, sowie bei der Abgabe von Arzneimitteln nach § 3a der Arzneimittelverschreibungsverordnung können die Apotheken einen zusätzlichen Betrag von 2,91 Euro einschließlich Umsatzsteuer berechnen.“

Und hier der oben angesprochene § 1 Abs. 3 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV):

1 Abs. 3 Grundsätze

„Der Verbleib und der Bestand der Betäubungsmittel sind lückenlos nachzuweisen:

1. in Apotheken und tierärztlichen Hausapotheken, […]“

Die Apotheke verwies in ihrem Einspruch auch auf ein Urteil des Thüringer Landessozialgerichts (Az.: L 6 KR 1146/07 NZB; S 6 letzter Absatz), in dem das Gericht die Vergütung – im Gegensatz zur Krankenkasse – nicht auf die einzelne Verordnungszeile bezieht, sondern bei Substitutionsabgaben auf jede einzelne Abgabe:

Abb.: Ausschnitt aus der Urteilsbegründung
Anm.: Der zur Urteilsverkündung gültige Betrag von 0,26 Euro wurde mittlerweile auf 2,91 Euro erhöht.

Erfreulicherweise haben aber sowohl der Deutsche Apothekerverband (DAV) als auch der Hamburger Apothekerverband schon bei früheren Retaxationen klargestellt, dass der Apotheke die BtM-Gebühr für jede Abgabe zusteht. Der DAV hält die ausgesprochenen Retaxationen daher für nicht rechtskonform.

Dennoch wurde dem Einspruch der betroffenen Apotheke nicht stattgegeben, denn die KKH verweist auf eine Mitteilung ihres eigenen Spitzenverbands:

Da es sich hier eben nicht um eine „Verschreibung von Einzeldosen handelt, die eine Versorgung für mehrere Tage sicherstellen soll“ und wie oben dargelegt für jede Abgabe (Bestandsänderung) natürlich eine BtM-Dokumentation vorgeschrieben ist, greift dieses Zitat des GKV-Spitzenverbands ins Leere, zumal ja auch das Thüringer LSG sein Urteil ähnlich begründete.

Dass die ABDA und die Landesapothekerverbände vom Spitzenverband der GKV entsprechend informiert wurden, bedeutet natürlich nicht, dass die Apothekenseite diese Meinung teilt, ganz im Gegenteil. Um diese Problematik abschließend zu klären, wird der Weg durch die rechtlichen Instanzen wohl nicht zu vermeiden sein.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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