Retaxfalle Preisankerüberschreitung?

Der Rahmenvertrag sieht für die Abgabe von Arzneimitteln Vorgaben zur Abgabe preisgünstiger Arzneimittel vor, doch die Umsetzung in der Apotheke ist nicht immer einfach. Werden dabei Fehler gemacht, so folgt nicht selten eine Retaxation. Daher wollen wir heute noch einmal die wichtigsten Fakten zu diesem Thema zusammentragen.

Solange ein Rabattvertrag zu beachten ist, ist der Preis des rabattierten Arzneimittels nicht für die Abgabe relevant, denn alle Rabattarzneimittel gelten als wirtschaftlich für die Krankenkasse. Welchen Preis die Krankenkassen letztlich mit den Herstellern vereinbart haben, ist nicht ersichtlich. Und so hat die Apotheke – unabhängig vom in der Taxe dargestellten Preis – die freie Auswahl unter mehreren Rabattarzneimitteln. Dies ist in § 11 Abs. 1 Rahmenvertrag festgehalten:

11 Vorrang der Rabattverträge

„(1) Die Apotheke hat vorrangig ein Fertig­arznei­mittel abzu­geben, für das ein Rabatt­vertrag nach § 130a Absatz 8 SGB V besteht (rabatt­begünstigtes Fertig­arznei­mittel). Voraus­setzung hierfür ist, dass

  • in den ergänzenden Verträgen nach § 129 Absatz 5 SGB V nichts anderes vereinbart ist und
  • die Angaben zu dem rabatt­begünstigten Fertig­arznei­mittel voll­ständig und bis zu dem vereinbarten Stichtag mitge­teilt wurden; das Nähere hierzu wird in § 28 geregelt.

Treffen die Voraus­setzungen nach Satz 1 und 2 bei einer Kranken­kasse für mehrere rabatt­begünstigte Fertig­arznei­mittel zu, kann die Apotheke unter diesen wählen.“

Preisanker bei Arzneimittelabgabe ohne Rabattverträge

Liegen keine Rabatt­verträge vor und erfolgt die Auswahl beispiels­weise aufgrund von Liefer­schwierigkeiten oder im dringenden Fall unabhängig von Rabatt­verträgen, so ist sowohl für die Auswahl im generischen Markt (§ 12 Abs. 1) als auch im import­relevanten Markt (§ 13 Abs. 2) vorge­geben, dass das abzugebende Arznei­mittel nicht teurer sein darf als das verordnete. Für Arznei­mittel im Mehrfach­vertrieb (§ 12 Abs. 2) gilt, dass das abzugebende Arznei­mittel nicht teurer sein darf als das günstigste Parallel­arzneimittel.

12 Abgabe preisgünstiger Fertigarzneimittel nach § 9 Absatz 2

„(1) Ist eine vorrangige Abgabe rabatt­begünstigter Fertig­arznei­mittel nach § 11 nicht möglich, ist eines der vier preis­günstigsten Fertig­arznei­mittel abzugeben, das die Kriterien nach § 9 Absatz 3 erfüllt.  Bei der Ermittlung des Preises einer Packung im Rahmen der Anwendung des Wirtschaftlich­keits­gebots sind sämtliche gesetzliche Rabatte zu berück­sichtigen. Sind Fertig­arznei­mittel nach Satz 1 nicht liefer­fähig, hat die Apotheke das nächst preis­günstige, verfügbare Fertig­arznei­mittel abzugeben. Bei der Auswahl nach den Sätzen 1 bis 3 darf das abzu­gebende Fertig­arznei­mittel nicht teurer als das verordnete sein.

(2) Bei Fertig­arznei­mitteln, die sich im Mehrfach­vertrieb befinden, ist entgegen Absatz 1 Satz 1 nur jeweils das preis­günstigste der Parallel­arznei­mittel oder ein Import­arznei­mittel zum verordneten Fertig­arznei­mittel oder dem Parallel­arznei­mittel abgabe­fähig, falls es nicht teurer als das preis­günstigste Parallel­arznei­mittel ist. Absatz 1 Sätze 2 bis 4 gelten entsprechend. Abgaben nach Satz 1 fallen unter die Regelungen des § 13 Absatz 1.“

13 Abgabe preisgünstiger Importe nach § 9 Absatz 1

„[…] (2) Im import­relevanten Markt nach Absatz 1 ist grund­sätzlich die Abgabe von Referenz­arznei­mitteln, Import­arznei­mitteln und preis­günstigen Import­arznei­mitteln möglich; liegt ein Mehr­fach­vertrieb vor, können unter Berück­sichtigung der Regelungen des § 12 Absatz 2 auch Parallel­arznei­mittel sowie deren Import­arznei­mittel und preis­günstige Import­arznei­mittel abge­geben werden. Es darf nur ein Fertig­arznei­mittel ausgewählt werden, das abzüglich der gesetzlichen Rabatte nicht teurer als das namentlich verordnete Fertig­arznei­mittel ist. Hiervon ausge­nommen ist der Fall, dass für diese Mehr­kosten durch den Versicherten geleistet werden müssen, aber auf­zahlungs­freie Fertig­arznei­mittel zur Verfügung stehen; diese sind in diesem Fall bevorzugt abzugeben. Überschreitet der Abgabe­preis sämtlicher zur Auswahl stehenden Fertig­arznei­mittel den Fest­betrag, ist ein Fertig­arznei­mittel mit einer möglichst geringen Aufzahlung für den Versicherten auszu­wählen. Für die Fälle von den Sätzen 3 und 4 gilt § 2 Absatz 7 Satz 5 nicht. Im import­relevanten Markt besteht ein Abgabe­vor­rang für preis­günstige Import­arznei­mittel in Form eines innerhalb eines Kalender­quartals zu erzielenden Einspar­ziels nach Absatz 5. Das Einspar­ziel gilt nicht für Arznei­mittel, die aufgrund von Sprech­stunden­bedarfs­verordnungen an Vertrags­ärzte abge­geben wurden.“

Eine Besonderheit ist bei Arzneimitteln oberhalb des Festbetrags zu beachten, also wenn für den Patienten Mehrkosten anfallen. In diesen Fällen muss die Apotheke bevorzugt ein Arzneimittel mit keinen bzw. möglichst geringen Mehrkosten auswählen, auch wenn es dadurch zu einer Preisankerüberschreitung kommt.

Wie ist bei einer Preisankerüberschreitung vorzugehen?

Dass der Preisanker, der durch das verordnete Arzneimittel gesetzt wird, überschritten werden muss, ist in Apotheken vermutlich mehrmals pro Woche der Fall. Nach Inkrafttreten des neuen Rahmenvertrags hieß es zunächst, dass Preisankerüberschreitungen in jedem Fall eine Rücksprache mit dem Arzt erfordern. Dies bedeutete einen enormen Bürokratieaufwand sowohl für Apotheken als auch für Ärzte und verzögerte die Versorgung der Patienten. Daher wurde zwischen DAV und GKV-Spitzenverband vereinbart, dass eine ärztliche Rücksprache bei einer Preisankerüberschreitung bedingt durch Lieferschwierigkeiten oder im dringenden Fall nicht nötig ist. Eine Ausnahme stellt die Anwendung Pharmazeutischer Bedenken dar: Wenn aus diesem Grunde der Preisanker überschritten wird, muss zuvor Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden.

Unerlässlich bleibt aber bei jeder Preisankerüberschreitung eine Dokumentation auf dem Rezept: Dazu muss die Sonder-PZN 02567024 mit passendem Faktor, der beschreibt, warum kein Arzneimittel unterhalb des Preisankers abgegeben wurde, angegeben werden. Zusätzlich empfiehlt sich ein Vermerk auf dem Rezept, damit die Preisankerüberschreitung leichter nachvollziehbar ist – auch für den Fall, dass es zu Rückfragen durch die Krankenkasse kommt.

Abweichende Vereinbarungen bei den einzelnen Kostenträgern?

In § 5 Abs. 6 des Arzneiversorgungsvertrags der Ersatzkassen wurde hinsichtlich einer Preisankerüberschreitung festgehalten, dass eine ärztliche Rücksprache weder bei Nichtverfügbarkeit noch bei Pharmazeutischen Bedenken und auch nicht im dringenden Fall erforderlich ist. Aber auch hier ist vereinbart, dass die Gründe auf dem Rezept zu dokumentieren sind.

5 Abs. 6 AVV Ersatzkassen

„Kann aufgrund von Nichtverfügbarkeit kein preisgünstiges Arzneimittel nach § 12 Rahmenvertrag oder kein Import nach § 13 Rahmenvertrag abgegeben werden, so ist die Apotheke berechtigt ohne Rücksprache mit dem Arzt das nächstpreisgünstige verfügbare Arzneimittel abzugeben, auch wenn dabei der Preis des verordneten Arzneimittels überschritten wird. Die Abweichung von der Abgaberangfolge muss auf dem Verordnungsblatt dokumentiert werden. Die Nichtverfügbarkeit ist auf Nachfrage durch einen Beleg nach Absatz 5 nachzuweisen.

Kann aufgrund pharmazeutischer Bedenken kein preisgünstiges Arzneimittel nach § 12 Rahmenvertrag oder kein Import nach § 13 Rahmenvertrag abgegeben werden, so ist die Apotheke berechtigt, ohne Rücksprache mit dem Arzt das nächstpreisgünstige Arzneimittel abzugeben gegen das keine pharmazeutischen Bedenken bestehen, auch wenn dabei der Preis des verordneten Arzneimittels überschritten wird. Die pharmazeutischen Bedenken müssen auf dem Verordnungsblatt dokumentiert werden.

Kann aufgrund eines dringenden Falles gemäß § 14 Absatz 2 Rahmenvertrag kein preisgünstiges Arzneimittel nach § 12 Rahmenvertrag oder kein Import nach § 13 i. V. m. § 14 Absatz 4 Rahmenvertrag abgegeben werden, so ist die Apotheke berechtigt, ohne Rücksprache mit dem Arzt das nächstpreisgünstige vorrätige Arzneimittel abzugeben, auch wenn dabei der Preis des verordneten Arzneimittels überschritten wird. Das Vorliegen eines dringenden Falles muss auf dem Verordnungsblatt dokumentiert werden.“

Neuen Kommentar schreiben

Sie müssen angemeldet sein, um die Kommentarfunktion nutzen zu können.

DAP Newsletter

Immer aktuell informiert mit dem DAP Newsletter: zur Newsletter-Anmeldung