Miniretax über 1,22 € berechtigt?

Wenn wir „Miniretaxationen“ unter 5 € zugesandt bekommen, stellt sich die Frage, weshalb solche Retaxationen – die meist einen wesentlich höheren Bearbeitungsaufwand verursachen – überhaupt versandt werden.
Zudem ist zu prüfen, ob diese Retaxationen überhaupt berechtigt sind, denn wenn nicht, dann erhöhen sich diese Bearbeitungskosten nochmals um die Einspruchskosten und deren Bearbeitung.

Dennoch werden und sollten auch solche Retaxationen geprüft werden und ggf. auch Einspruch erhoben werden, denn geht es um einem ungerechtfertigten Sachverhalt, könnten beim nächsten Mal höhere Summen retaxiert werden und auch andere Apotheken betroffen sein.

Hier ein dem DAP zugesandter Retaxfall:

Krankenkasse: AOK Rheinland/Hamburg
Verordnet:1 x Zytiga 500 mg FTA 56 St. PZN 12410111
Abgabedatum:07.08.19

Betroffen ist die erste Verordnungszeile:

Verordnet ist das Erstanbieterprodukt (Original) PZN 12410111 Zytiga 500 mg 56 St. von Janssen-Cilag.

Zu diesem Präparat existieren weder ein vorrangiger Rabattvertrag noch ein Generikum, sondern lediglich Importe. Wir befinden uns somit im importrelevanten Markt.

Aber sehen wir uns zunächst die für die Abgabe vereinbarten Rahmenvertragsbestimmungen in den §§ 11–14 genauer an:

§ 10 Abgaberangfolge

„Die Apotheke hat die Auswahl des abzugebenden Fertigarzneimittels nach Maßgabe der §§ 11 bis 14 zu treffen.“

§ 11 Vorrang der Rabattverträge

[Anm.: Scheidet aus, da es keinen Rabattvertrag gibt!]

§ 12 Abgabe preisgünstiger Fertigarzneimittel nach § 9 Absatz 2

(Generischer Markt bzw. Arzneimittel im Mehrfachvertrieb ohne Rabattvertrag)

[Anm.: Scheidet aus, da es noch keine Generika und auch keine Parallelarzneimittel gibt.]

§ 13 Abgabe preisgünstiger Importe nach § 9 Absatz 1

„(1) Der importrelevante Markt besteht aus den Fertigarzneimitteln im Auswahlbereich nach § 9 Absatz 1 (solitärer Markt) und aus Arzneimitteln nach § 9 Absatz 2 Satz 2 (Mehrfachvertrieb), bei denen die Abgabe eines rabattierten Fertigarzneimittels nach § 11 nicht möglich ist. […]

(2) Im importrelevanten Markt nach Absatz 1 ist grundsätzlich die Abgabe von Referenzarzneimittel, Importarzneimittel und preisgünstigen Importarzneimitteln möglich. […]
Es darf nur ein Fertigarzneimittel ausgewählt werden, das abzüglich der gesetzlichen Rabatte nicht teurer als das namentlich verordnete Fertigarzneimittel ist. […] Im importrelevanten Markt besteht ein Abgabevorrang für preisgünstige Importarzneimittel in Form eines Einsparziels nach Absatz 5. […]

(5) Das Einsparziel wird auf 2 von Hundert festgesetzt. […]

[Anm.: Da unsere Apotheke ihr Einsparziel bei dieser Kasse bereits erfüllt hat, hat sie im Sinne einer unverzüglichen Versorgung von der Abgabe eines Importpräparates abgesehen, zumal kein Importpräparat den in § 2 Abs. 8 vorgegebenen Preisabstand für preisgünstige Importarzneimittel im Sinne des Rahmenvertrages (ab 300 € 5 % Preisabstand) erfüllt.]

(9) Mit diesen Regelungen gilt die Abgabepflicht nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V als erfüllt.“

§ 14 Abweichung von der Abgaberangfolge

[Anm.: Nicht zutreffend]

Da kein vorrangiger Rabattvertrag zu beachten war, hat sich die Apotheke völlig korrekt verhalten. Dennoch wurde sie retaxiert:

Daraus leitet die Kasse die Retax in Höhe von 1,22 € (3518,41 € minus 3517,19 €) ab:

Die Apotheke wurde auf das viertgünstigste abgabefähige Präparat retaxiert.

Das eigentliche Problem durch diese Retaxation beschreibt die betroffene Apotheke jedoch wie folgt:

Wenn es keine weitergehende Regionalvereinbarung zu diesem Problem gibt, dann kann sich die Apotheke auf den § 13 Abs. 2 Rahmenvertrag (siehe oben) berufen.

Fazit:

  • Wir befinden uns im importrelevanten Markt (nur Original und Importe zur Auswahl).
  • Es gibt kein vorrangiges Rabattarzneimittel.
  • Verordnet ist das Original, das auch den Preisanker bestimmt.
  • Bei erfülltem Einsparziel kann somit auch das Original abgegeben werden.
  • Auch bei nicht erfülltem Einsparziel kann dieses mit anderen Verordnungen erreicht werden.

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