26.400 Euro teure Rezeptur-Retax wegen fehlender Anwendungsanweisung?

Sicherlich haben Sie mitbekommen, dass im Referentenentwurf zur 18. Änderungsverordnung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) die Vorschrift enthalten ist, dass auf jeder Arzneimittelverordnung künftig eine Dosierungsangabe enthalten sein muss.

Diese Angabe ist derzeit nur bei Rezepturverordnungen und BtM-Verschreibungen Vorschrift, aber bereits deren Fehlen führte in der Vergangenheit zu zahlreichen Retaxationen der Apotheken.

Grundsätzlich ist die Angabe der Dosierungsanweisung häufig eine wichtige Voraussetzung für die korrekte Arzneimittelversorgung. Man denke beispielsweise nur an die mitunter erforderliche Teilbarkeit von festen Arzneimittelformen, über die die Apotheke keinerlei Information hat, wenn diese nicht auf der Verordnung vermerkt ist. Daher haben die „Retaxfallen“ des DAV diese Information bereits seit vielen Jahren mehrfach gefordert.

Da jedoch leider bekannt ist, dass neue Vorgaben in den Arztpraxen – die vorrangigen Adressaten der AMVV – häufig nicht ausreichend beachtet werden, muss bei einer entsprechenden Änderung der AMVV unabdingbar gewährleistet werden, dass das Fehlen der ärztlichen Anwendungsanweisung nicht wieder zu Retaxationen der versorgenden Apotheken führen darf.
Dies hat auch die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf ausdrücklich gefordert.

Da jedoch ebenso bekannt ist, dass Forderungen der Apothekerschaft bei Gesetzes- oder Verordnungsänderungen derzeit leider nur noch selten Berücksichtigung finden, möchten wir hier noch einmal ausdrücklich deutlich machen, was eine Haftung der Apotheker für fehlende Dosierungsangaben der Ärzteschaft für finanzielle Auswirkungen haben kann.

Nachfolgend eine Erstattungsverweigerung einer Krankenkasse in Höhe von 26.400 Euro wegen einer fehlenden Anweisung, die durchaus existenzbedrohende Folgen für die retaxierte Apotheke haben kann.

Zunächst die durchaus erfreuliche Vorgeschichte der nachfolgenden Retaxation:
Zahlreiche Rezepturverordnungen für ein seit Jahren betreutes Kind wurden von der Apotheke aufgrund der Speicherung im Apothekensystem über einen Zeitraum von ca. einem Jahr zu niedrig taxiert. Als der Fehler bemerkt wurde, hat der betroffene Kollege über sein Abrechnungszentrum eine Liste der betroffenen Rezepturanfertigungen erstellen lassen und diese u. a. an die Abrechnungsstelle Emmendingen (für die BKK Daimler) gesendet. Diese versah die betroffenen Rezepte handschriftlich mit einer Korrekturnummer und schickte den Stapel an die Apotheke zurück. Nach Abzug der fehlerhaften Verordnungen und Gutschrift der korrigierten Rezepte ergab sich für die Apotheke als positive Differenz ein vierstelliger Eurobetrag.

Nachdem der Kollege dem Retax-Newsletter dieses positive Verhalten mit den Worten „in all dem Negativen hier mal ein Beispiel für eine kooperierende, verständnisvolle Krankenkasse“ berichtete und sich fragte, warum es nicht immer so sein könne, musste er leider seinen ersten positiven Eindruck korrigieren, noch bevor ich im Retax-Newsletter darüber berichten konnte:

Es gibt neue Entwicklungen zum Thema, ein kurzes Update dazu:

Am Montag erhielt ich Retaxationen der BKK Daimler über 2.717,94 EUR, heute über 23.690,27 EUR. Größtenteils die erneut eingereichten Rezepturen.
Begründung: Fehlende Dosierungsanweisung.

Und hier exemplarisch lediglich eine der nun plötzlich retaxierten Verordnungen:

Aufgrund der bereits erfolgten Korrektur sind die Verordnungen mittlerweile schon älteren Datums.

Da in diesem speziellen Fall die aufgeklärten und engagierten Eltern genau über die stets an den Krankheitsverlauf angepasste Dosierung informiert sind, wäre eine Dosierungsanweisung auf der Verordnung gar nicht möglich oder sogar kontraproduktiv. Zudem versorgt die Apotheke den kleinen Patienten bereits seit 4 Jahren auf diese Art.

Daher legte die Apotheke Widerspruch ein, denn es ging insgesamt um eine Nichterstattung in Höhe von 26.409,21 EUR. Die Daimler BKK und ihren LAV hat die betroffene Apotheke ebenfalls direkt eingeschaltet.

Der Daimler BKK wurde auch eine Bestätigung der behandelnden Klinik beigelegt, um die vorliegende Problematik zu belegen:

Erfreulicherweise gehört die Daimler BKK nicht zu der Handvoll Krankenkassen, die nachträgliche Bestätigungen niemals anerkennen, egal von wem diese stammen und zu welchem Sachverhalt diese erstellt werden.

Die bedrohlichen Retaxationen konnten mit Hilfe der Daimler BKK nochmal zum Positiven gewendet werden:
Wie uns die betroffene Apotheke erleichtert mitteilte, wurden die Retaxationen für alle bereits eingereichten Verordnungen zurückgenommen:

Abb.: Ausschnitt aus der Einspruchsanerkennung

Dieses Retaxbeispiel zeigt sehr deutlich, wie finanziell bedrohlich es werden kann, wenn der von der ABDA verlangte Retaxverzicht nicht berücksichtigt werden sollte.

Stattdessen auf das Anbringen der Dosierungsanweisung zu verzichten, wenn ein Medikationsplan oder eine schriftliche Anwendungsanweisung existiert, würde andererseits die gewünschte Erhöhung der Arzneimittelsicherheit wieder schmälern, insbesondere wenn es um pharmazeutisch nicht sinnvolle Teilungsanweisungen oder um erkennbare, zu klärende Dosierungsfehler geht.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP-Foren

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