Kasse besteht auf Retax bei abweichend deklarierter Import-Darreichungsform

Vielleicht erinnern Sie sich noch an unsere Retax-Newsletter vom 02. März 2016 „Retax: Sind Original und Import trotz abweichender Darreichungsform austauschbar?“ und vom 14. Juni 2016 „7.000 Euro-Einspruch gegen ungleich deklarierte Darreichungsformen abgelehnt!“?

Wir hatten darüber berichtet, dass einer Apotheke nach und nach insgesamt fünf gleich lautende Importverordnungen über „Copaxone 20 mg/ml ILO FER AXIC 28 St.“ mit insgesamt 7.823,98 Euro nicht erstattet wurden.

Das EDV-System hatte der Apotheke bei den Abgaben keinen Austausch gegen die Rabattarznei der Barmer GEK (IK 104080005) angezeigt, da der verordnete Import als „ILO“ in der Artikeldatei bezeichnet war, das Rabattarzneimittel Copaxone® von TEVA jedoch mit der Darreichungsform „FER“. 

Völlig unhaltbar war das damalige Chaos bei den angezeigten Darreichungsformen in den Apothekensystemen:

In der Namensbezeichnung wurden mitunter beide Darreichungsformen verwendet (ILO und FER), in der gemeldeten Darreichungsform unterschied sich – trotz bezugnehmender Zulassung – sogar das Kürzel des verordneten Importeurs je nach Packungsgröße (30 St. = FER bzw. 28 St. = ILO):

Seit Veröffentlichung unserer Retaxbeiträge werden nun wenigstens auch alle Importprodukte zum TEVA-Erstanbieterprodukt in der Apotheken-EDV mit dem DRF-Kürzel Fertigspritzen (FER) angezeigt! Diese gefährliche Retaxfalle sollte also nun der Vergangenheit angehören, zumindest bei diesem Präparat: 

Diese Richtigstellung in den Apotheken-EDV-Systemen kommt jedoch für die mittlerweile von der Barmer GEK mit 7.823,98 Euro belastete Apotheke leider zu spät, denn die betroffene Apotheke erhielt zu den damaligen Abgabezeitpunkten keine Austauschanzeige.

Auch der Warnhinweis auf die existierende Rabattarznei mit abweichender Darreichungsform, den andere EDV-Systeme einblenden, wurde der Apotheke nicht angezeigt:

Da die Apotheke trotz Recherche in Ihrer EDV keine Möglichkeit hatte, die Existenz der Barmer GEK Rabattarznei zu erkennen und es zudem immer noch an einer eindeutigen Aussage im Rahmenvertrag fehlt, dass Original und bezugnehmender Import auch bei abweichend deklarierten Darreichungsformen IMMER austauschbar sind, hat die Apotheke die Barmer GEK mehrmals um eine Rücknahme der existenzbedrohenden Retax gebeten.

Diese Einsprüche wurden jedoch jedes Mal abgewiesen. Da die letzte Einspruchsablehnung vom 29. Juli 2016 sehr informativ die Haltung der Barmer GEK zur angesprochenen Problematik und auch zum neuen Rahmenvertrag ab 01. Juni 2016 deutlich macht, möchten wir die Apotheken etwas ausführlicher mit der Meinung dieser Krankenkasse vertraut machen, um sie vor ähnlichen Retaxationen zu bewahren.

Auszüge aus der Einspruchsablehnung der Barmer GEK:

Für die Austauschbarkeit von Darreichungsformen beruft sich die Kasse nicht auf § 129 SGB V und die Vereinbarungen in § 4 (1) Rahmenvertrag, nach denen austauschbare Darreichungsformen als „gleich“ oder „austauschbar“ gemäß den Hinweisen des G-BA gelistet sein müssen: 

129 (1) SGB V

„4. […] Bei der Abgabe eines Arzneimittels nach Satz 1 Nummer 1 haben die Apotheken ein Arzneimittel abzugeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt; […].“ 

4 (1) Rahmenvertrag – Auszug

„d) gleiche oder austauschbare Darreichungsform,
dabei sind

  • die Darreichungsformen mit identischer Bezeichnung in der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe) gleich,
  • Darreichungsformen nach den Hinweisen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 129 Absatz 1a SGB V austauschbar […].“

Die Barmer GEK bezieht sich bezüglich der Austauschbarkeit zwischen Original und Import ausschließlich auf § 5 (2) des Rahmenvertrags, der die für den Austausch zwischen Import und Original nur eine „therapeutisch vergleichbare Darreichungsform“ fordert.

Trotz dieser auch im neuen Rahmenvertrag vom 01. Juni 2016 immer noch nicht vollständig geregelten Austauschbarkeit bei Import und Original, gilt für die Barmer GEK, dass diese selbst bei unterschiedlich deklarierter Darreichungsform therapeutisch vergleichbar und gemäß Arzneimittelrecht pharmazeutisch fachlich identisch sind und bei existierendem Rabattvertrag ausgetauscht werden müssen.

Bleibt die Frage, weshalb dies nicht längst im Rahmenvertrag steht, wenn der Sachverhalt so allgemeingültig ist und falls dies auch von beiden Vertragspartnern so beurteilt würde.

Der Grund kann sicherlich nicht darin liegen, dass eine eindeutige, interpretationssichere Regelung eine lukrative Retaxmöglichkeit zum Erliegen bringen würde, denn die Kasse ist ja geradezu rechtlich verpflichtet die Erstattung zu verweigern:

Und dass eine entsprechende Absolution im Rahmenvertrag ab 01. Juni 2016 die Kasse genau von dieser Pflicht befreien würde, kann ihr auch noch nicht helfen, denn:

Aber wenn schon die Kasse der betroffenen Apotheke nicht helfen darf, so bietet man der Apotheke entgegenkommenderweise wenigstens an, die retaxierten 7.823,98 Euro in vier Monatsraten zu bezahlen bzw. Schadensersatzansprüche gegen den EDV-Anbieter zu prüfen:

Dringend erforderlich ist zudem, dass diese seit Jahren bestehende Retaxfalle endlich durch eine bundeseinheitliche, interpretationssichere Regelung im Rahmenvertrag abgeschafft wird, damit alle Softwarehäuser verbindlich wissen, ob Import und Original auch bei abweichend deklarierten Darreichungsformen als austauschbar gekennzeichnet werden müssen oder abweichende Deklarationen von Darreichungsformen bei bezugnehmenden Import-Zulassungen nicht mehr akzeptiert werden dürfen und nicht weitere Apotheken unverschuldet in diese Falle geraten.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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