Gilt ein kassenspezifischer Mehrkostenverzicht auch für Alternativabgaben?

Das DAP-Team erreichen häufig Anfragen aus Apotheken, die von allgemeinem Interesse sind, um Retaxationen zu vermeiden. Diese Fälle möchten wir daher gerne auch im DAP Retax-Newsletter aufgreifen.

Da es sich nicht um bereits erfolgte Retaxationen handelt, erübrigt sich in diesen Fällen die sonst übliche Abbildung der Retaxunterlagen.

Hier die Anfrage einer betroffenen Apotheke:

Anfrage einer Apotheke

Salbuhexal Fertiginhalat ist verordnet. Da die Firma Hexal zurzeit nicht lieferbar ist, haben wir ratio abgegeben. Es werden dem Patienten dann nicht die 4,99 € Zuzahlung berechnet und es wird der Abrechnungspreis von 18,31 € taxiert.

Ist das richtig? Hängt es evtl. mit dem Setzten des Sonderkennzeichens (Nichtverfügbarkeit) zusammen?

Das DAP-Team konnte die anfragende Apotheke beruhigen:

Für Salbuhexal muss ein Patient normalerweise 5 € zuzahlen und 4,99 € Mehrkosten bezahlen:

Allerdings hat die DAK für ihren Rabattartikel auf die Mehrkosten verzichtet (kassenspezifischer Mehrkostenverzicht).

Diese Mehrkosten (Festbetragszuzahlungen) werden aktuell von den Krankenkassen auch bei erforderlichen Alternativabgaben übernommen, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind, und zwar:  

  • wenn ein Rabattartikel nicht lieferbar ist und
  • wenn es keine preisgünstige Alternative unterhalb der Festbetragsgrenze gibt.

Die Grundlage hierfür wurde bereits am 1. April 2020 im Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) gelegt. Das Gesetz legte seinen Schwerpunkt auf Maßnahmen gegen Lieferengpässe.

Hier wurde u. a. auch beschlossen, dass Apotheker unmittelbar ein vergleichbares Arzneimittel abgeben dürfen, wenn ein Rabattarzneimittel nicht lieferbar ist, und die Krankenkasse die Mehrkosten tragen muss, wenn nur Arzneimittel über dem Festbetrag verfügbar sind.

Hierzu musste aufgrund des Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetzes zum 1. August 2020 jedoch auch der § 11 Rahmenvertrag angepasst werden:

11 Rahmenvertrag

„(2) Sind alle rabattierten Arzneimittel, welche nach Absatz 1 auszuwählen wären, bei Vorlage der ärztlichen Verordnung nicht verfügbar, ist die Apotheke zur Abgabe eines gemäß § 2 Absatz 10 lieferfähigen wirkstoffgleichen Arzneimittels nach Maßgabe des § 129 Absatz 1 Satz 2 SGB V berechtigt.
Für die Feststellung der Nichtverfügbarkeit ist in Abweichung von § 2 Absatz 11 der Nachweis durch eine Verfügbarkeitsanfrage bei einem Großhandel ausreichend. 

Die Auswahl richtet sich bei Arzneimitteln nach § 9 Absatz 2 nach den Vorgaben in § 12 und bei Arzneimitteln nach § 9 Absatz 1 nach den Vorgaben in § 13. Kann auch aufgrund dieser Regelungen eine Versorgung nicht erfolgen, kann von den Vorgaben der §§ 2 Absatz 7 Satz 5, 12 Absatz 1 Satz 4, 12 Absatz 2 Satz 1 und 13 Absatz 2 Satz 2 abgewichen werden.

(3) Ist bei einer Abgabe nach Absatz 2 kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar, trägt die Krankenkasse abweichend von § 31 Absatz 2 Satz 1 SGB V die Mehrkosten.

(4) Das Nähere zur technischen Umsetzung der vorgenannten Vorgaben der Absätze 2 und 3 regeln die Vertragspartner im Vertrag nach § 300 SGB V in den Technischen Anlagen.

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Apotheke zur Umsetzung des Absatz 4 auf dem Arzneiverordnungsblatt in das Feld ‚Arzneimittelkennzeichen‘ das zwischen den Vertragspartnern des Vertrages nach § 300 SGB V – Technische Anlage 1 vereinbarte Sonderkennzeichen zur Nichtverfügbarkeit ‚02567024‘und in das Feld ‚Faktor‘ die Ziffern ‚2‘ oder ‚4‘ sowie in das Feld ‚Taxe‘ den Betrag ‚0‘ einträgt.“

Eine weitreichende Ermächtigung für Apotheken im Zusammenhang mit der Corona-Versorgung, zumal in diesem Fall auch der Nicht­lieferbar­keits­nachweis eines Großhändlers ausreicht, während sonst zwei Nichtverfügbarkeits-/Nicht­lieferbar­keits­nachweise beizubringen sind! Das betrifft in diesem Fall auch den Nachweis der Nichtverfügbarkeit der vier preisgünstigsten Arzneimittel, der quotenrelevanten Importe sowie den Nachweis, dass kein Arzneimittel mit Preisen bis zum Festbetrag verfügbar ist.

Diese Vorbedingungen waren nach Angabe der anfragenden Apotheke erfüllt. Bezugsgröße für die Bemessung der Zuzahlung nach § 61 Satz 1 SGB V ist der Abgabepreis des Arzneimittels.

Daher muss der Patient auch in unserem Fall für den Alternativartikel von ratiopharm keine Mehrkosten zahlen.

Da die Apotheken-EDV anhand der Sonder-PZN für Nichtlieferbarkeit das Problem richtig erkannt hat, wurde der Apotheke auch gleich korrekt angezeigt, dass kein Mehrkostenbetrag anfällt.

Fazit

Ist ein Rabattarzneimittel nicht verfügbar (und auch nicht lieferbar) und ist nur ein Alternativpräparat zu beschaffen, welches über dem Festbetrag liegt, müssen die Krankenkassen unter den genannten Voraussetzungen die Mehrkosten tragen.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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