Übergewicht und die Anti-Diabetes-Spritze als „Schlankmacher“: neues White Paper von IQVIA

Anti-Diabetes-Medikamente machen in letzter Zeit Schlag­zeilen als „Schlank­macher“ für Crash-Diäten. Über den Hype hinaus sind diese Medika­mente jedoch für Adipositas-Patienten sehr hilfreich: Wenn alte Wirk­stoffe neu ent­deckt werden, kommt Bewegung in den Markt. Beispiele für diese Anti-Diabetes-Wirk­stoffe sind Semaglutid und Dulaglutid. Die Anzahl verkaufter Packungen mit einem dieser Wirk­stoffe, die als rezept­pflichtige Arznei bei Diabetes Typ 2 verordnet werden, steigt kontinuierlich.

Die Medikamente erhöhen den natürlichen, körpereigenen Insulinspiegel durch Bindung an den GLP-1-Rezeptor der insulinbildenden Bauchspeicheldrüsenzellen. Weiterer biologischer Effekt dieser Bindung: Das Sättigungsgefühl steigt, die Magenentleerung findet langsamer statt. Im Jahr 2022 wurden fast 1.345.000 Packungen mit Dulaglutid verkauft und 1.228.000 Packungen mit Semaglutid. Ob gerade Letzteres ausschließlich im Rahmen einer Diabetes-Therapie geschah, könnte hinterfragt werden. Denn Semaglutid erhielt bereits breite Aufmerksamkeit als neue „Hollywood-Diät“: In den USA kann man den Wirkstoff als Abnehmspritze bekommen. Und hierzulande hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA den Wirkstoff für Adipositas-Patienten mit einem BMI von 30 kg/m2 und höher im Rahmen einer Therapie zur Gewichtsreduktion zugelassen.

Fakt ist, Diabetes Typ 2 spielt eine gewichtige Rolle als Folgeerkrankung von Adipositas. Und Übergewicht ist in allen Ländern vertreten, besonders aber in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. So verweist das Forschungs- und Beratungsunternehmen IQVIA in seinem aktuellen White Paper über die Entwicklung kardiometabolischer Therapeutika auf den vom World Obesity Atlas prognostizierten Anstieg von 10 % der adipösen Erkrankungen bis zum Jahr 2035 und beobachtet, dass viele biopharmazeutische Innovatoren sich bereits auf den wachsenden Markt der gewichtsreduzierenden Medikamente fokussieren. Gerade GLP-1-Agonisten wie Sema- und Dulaglutid werden intensiv bearbeitet. Interessant dabei: Der Adipositas-Markt hat sich in der Vergangenheit nicht nur mit Ruhm bekleckert, so die Pharmamarkt-Experten. Beispielsweise musste früher einmal ein Medikament zur Gewichtsreduktion wegen Herzrisiken vom Markt genommen werden. Dass solch ein Marktscheitern sich wiederholt, ist unwahrscheinlich. Die GLP-1-Agonisten sind zielführend, sie erreichen als Substanzklasse eine Gewichtsabnahme von 10–15 %. Und hinzu kommt, dass sie nur einen von mehreren Ansätzen der Adipositas-Therapie darstellen. Fest steht hingegen, der Bedarf an Medikamenten gegen Fettleibigkeit ist immens. Laut der IQVIA-Prognose könnte der Markt bis 2030 ein Volumen von 30–50 Mrd. US-Dollar erreichen.

In Zusammenhang mit Adipositas stehen weitere Erkrankungen, die das Herzkreislaufsystem schädigen: „Metabolische Risikofaktoren, also Beeinträchtigungen des gesunden Stoffwechsels, sind ganz allgemein eine Hauptursache für frühe Sterblichkeit, und die globale Belastung durch Krankheiten, die mit Adipositas assoziiert sind, ist immens“, erklärt der White-Paper-Autor Dr. Stefan Lutzmayer von IQVIAs Thought Leadership Team. „Kardiometabolische Stoffwechselerkrankungen, wie Ablagerungen von Blutfetten und -giften in den kleinsten Äderchen rund um das Herz aufgrund von Übergewicht oder schlechtem Lebensstil beispielsweise, sind Todesursache Nummer 1“, erklärt der Biopharmazie-Datenforscher weiter. „Diese sogenannten ischämischen Herzkrankheiten (KHKs) und der neurale Hirnschlag sind erst- und zweithäufigste Ursache für weltweit 16 Millionen Todesfälle jährlich.“

„Der Mortalität geht die Morbidität voraus“, so der IQVIA-Forscher. „In Zahlen lässt sich die Krankenlast als DALY (Disability-adjusted Life Years) beschreiben. DALY steht für das behinderungsangepasste Lebensjahr. Seit 2006 ist der Anteil der DALYs um satte 18 % gestiegen und stellte sich bereits im Jahr 2019 als eine Beeinträchtigung von ca. 500 Mio. Jahren dar.“ Anders ausgedrückt, die verminderte und verkürzte Lebensqualität durch kardiometabolische Stoffwechselerkrankungen ist ein immenser gesundheitsökonomischer Faktor für die weltweiten Gesundheitssysteme und beeinträchtigt die Gesellschaft massiv. „Die Weiterentwicklung von Substanzen und Arzneien, die sich positiv auf den kardiometabolischen Gesundheitszustand auswirken, ist begrüßenswert. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in der Gesundheitsmarkthistorie die kardiometabolischen Medikamente ihre Blütezeit bereits hatten. Nämlich von den 1980ern bis in die 2000er Jahre. Danach wurden sie in der Arzneimittelforschung und -entwicklung weniger attraktiv und man stürzte sich auf Therapieentwicklungen in der Onkologie und Immunologie. Das sollte sich nun angesichts des mächtigen und wachsenden globalen Gesundheitsproblems rund um das Übergewicht und dessen Folgen ändern.“

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