Kann eine Vitamin-D-Supplementierung das Risiko von akuten Atemwegserkrankungen und Coronainfektionen verringern?

Arzneistoffe gegen Corona, seien sie zur präventiven oder zur akuten Anwendung, gibt es mittlerweile einige auf dem Markt. Mindestens genauso viele Mythen und unbelegte Empfehlungen kursieren seit Ausbruch der Pandemie im Netz. Ein vielfach diskutiertes Thema ist eine Vitamin-D-Supplementierung. Vitamin D ist Gegenstand vieler Forschungen und konnte bereits in zahlreichen Studien eine Verbesserung verschiedener Leiden zeigen. Auch gegen akute Atemwegsinfektionen, vor allem Corona, soll nach verschiedenen Internetquellen eine erhöhte Zufuhr des fettlöslichen Vitamins helfen. Was ist dran am Mythos?

Vitamin D hat viele Aufgaben im Körper. Eine Schlüsselrolle spielt es am Knochenstoffwechsel, indem es unter anderem die Resorption von Calcium und Phosphat aus dem Darm sowie deren Einbau in die Knochen fördert. Des Weiteren ist das Sonnenhormon ein wichtiger Modulator des Immunsystems, dem in verschiedenen Studien durchaus eine immunstabilisierende Wirkung bescheinigt werden konnte. Dementsprechend liegt der Gedanke nicht fern, dass das Vitamin D auch bei Coronainfektionen helfen könnte, indem es entweder die akute Symptomatik verbessert oder präventiv vor einer Ansteckung schützt.

Zwei randomisierte Studien untersuchten die Auswirkungen von Vitamin D auf Coronainfektionen. Die erste Phase-3-Studie mit 6.200 Probanden im Alter von mindestens 16 Jahren untersuchte die Häufigkeit von akuten Atemwegsinfektionen durch einen Interventionsarm mit 3.100 Probanden und einer Kontrollgruppe mit 3.100 Teilnehmern. Dabei wurde bei Probanden der Interventionsgruppe der 25-Hydroxy-Vitamin-D-Wert gemessen, wobei 2.674 der Studienteilnehmer einen Wert unter 75 nmol/l zeigten. Danach erhielten 1.328 Probanden ein Vitamin-D-Nahrungsergänzungsmittel in niedriger Dosierung (800 IU/Tag) und 1.346 eines mit einer hohen Dosierung (3.200 IU/Tag). Die Kontrollgruppe mit 3.100 Probanden erhielt kein Nahrungsergänzungsmittel. In der Gruppe mit niedriger Dosierung kam es bei 5,7 % zu mindestens einer akuten Atemwegsinfektion, gegenüber 5,0 % in der Gruppe mit hoher Dosierung. In der Kontrollgruppe kam es hingegen nur bei 4,6 % zu mindestens einer akuten Atemwegsinfektion. Eine Covid-19-Infektion bekamen in der Gruppe mit niedriger Dosierung 3,6 % und 3,0 % in der Gruppe mit hoher Dosierung, während in der Kontrollgruppe nur 2,6 % erkrankten. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine Vitamin-D-Supplementierung keinen signifikanten Vorteil zeigte.1

Eine weitere Studie verglich die Unterschiede zwischen einer Interventionsgruppe mit 5 ml Lebertran pro Tag (n = 17.278) und einer Placebo-Kontrollgruppe (n = 17.323). Insgesamt wurden 34.601 Teilnehmer im Alter von 18 bis 75 Jahren per Zufall den Gruppen zugewiesen. Als primäre Endpunkte wurden ein positives SARS-CoV-2-Testergebnis, schwere Covid-19-Symptomatik, negative SARS-CoV-2-Testergebnisse und selbstberichtete Symptome gewählt. Ein positives Testergebnis wurde bei 1,31 % in der Interventionsgruppe und 1,32 % in der Kontrollgruppe berichtet. Eine schwere Covid-19-Symptomatik trat bei 0,70 % in der Lebertran-Gruppe und 0,58 % in der Placebogruppe auf. Bei den weiteren Endpunkten wurde ebenfalls keine signifikante Abweichung gefunden, sodass die Autoren der Studie ebenfalls von einer Lebertran-Zufuhr bei ausreichend versorgten Menschen abrieten.2

 

1 David A Jolliffee et al. Effect of a test-and-treat approach to vitamin D supplementation on risk of all cause acute respiratory tract infection and covid-19: phase 3 randomised controlled trial (CORONAVIT). DOI: 10.1136/bmj-2022-071230

2 Sonja H Brunvoll et al. Prevention of covid-19 and other acute respiratory infections with cod liver oil supplementation, a low dose vitamin D supplement: quadruple blinded, randomised placebo controlled trial. DOI: 10.1136/bmj-2022-071245

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