Cannabis auf Rezept
Das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften ist letzte Woche (am 10.03.2017) in Kraft getreten. Damit treten auch die neuen Regelungen zu Cannabis in Kraft. Was bedeutet das konkret?
Ab heute können Patienten ohne Sondergenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) medizinisches Cannabis auf BtM-Rezept erhalten. Unter bestimmten Voraussetzungen erfolgt auch die Erstattung durch die GKV.
Nachfolgend sind einige Punkte zum Umgang mit Cannabisrezepten in der Apotheke nach derzeitigem Kenntnisstand zusammengefasst.
1. Genehmigung der GKV:
Vor der ersten Verordnung eines Arzneimittels auf Cannabisbasis zulasten der GKV muss eine Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse vorliegen (Genehmigung sollte Sache des Arztes sein). Die Krankenkassen müssen diese Genehmigung innerhalb von drei bis fünf Wochen erteilen, bei Patienten in der Palliativversorgung (SAPV) innerhalb von drei Tagen.
Die Apotheke hat keine Prüfpflicht, sollte sich aber laut Angaben der Bundesapothekerkammer (BAK) dennoch vor Abgabe vergewissern, ob eine Genehmigung vorliegt. So können Retaxationen vermieden werden.
2. Ausnahmeerlaubnis:
Die Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG ist nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes hinfällig, darf aber bis zu drei Monate weiterverwendet werden.
3. Bezug von medizinischem Cannabis:
Im Moment kann die Apotheke die verschiedenen Sorten von Cannabisblüten nur als Einzelimport aus anderen Ländern beziehen, z. B. aus den Niederlanden oder Kanada.
Importeure sind z. B. Fagron GmbH & Co. KG, Pedanios GmbH und MedCann GmbH.
Der Cannabisextrakt der Firma Bionorica ethics wird voraussichtlich ab Juni 2017 zu beziehen sein.
4. Höchstmengen für Cannabis:
Für einen Patienten darf der Arzt innerhalb von 30 Tagen bis zu zwei der in § 2 Abs. 1a BtMVV genannten Betäubungsmittel unter Einhaltung der festgesetzten Höchstmengen (oder eines der weiteren in Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes bezeichneten Betäubungsmittel außer Alfentanil, Cocain, Etorphin, Remifentanil und Sufentanil) verschreiben. Bei Überschreitung der Höchstmenge muss das BtM-Rezept mit dem Buchstaben „A“ gekennzeichnet werden.
Es gelten die folgenden Höchstmengen gemäß § 2 Abs. 1a BtMVV:
- 100.000 mg Cannabis in Form getrockneter Blüten
- 1.000 mg Cannabisextrakt (bezogen auf den THC-Gehalt)
- 500 mg Dronabinol
5. Neue Rezepturvorschriften nach DAC/NRF:
- NRF 22.12: Cannabisblüten zur Inhalation nach Verdampfung
- NRF 22.13: Cannabisblüten in Einzeldosen zur Inhalation nach Verdampfung
- NRF 22.14: Cannabisblüten zur Teezubereitung
- NRF 22.15: Cannabisblüten in Einzeldosen zur Teezubereitung
- NRF 22.11: Ölige Cannabisharz-Lösung 25 mg/ml Dronabinol
- NRF 22.16: Ethanolische Dronabinol-Lösung 10 mg/ml zur Inhalation
Die Methoden zur Identitätsprüfung sind in den DAC-Monographien „Cannabis flos“ bzw. „Cannabisblüten“ und „Eingestelltes, raffiniertes Cannabisölharz“ beschrieben.
Diese Rezepturvorschriften gab es auch schon vorher:
- NRF 22.7: Dronabinol-Kapseln 2,5 mg/5 mg/10 mg
- NRF 22.8: Ölige Dronabinol-Tropfen 25 mg/ml
- NRF 22.10: Ölige Cannabidiol-Lösung 50 mg/ml (Cannabidiol ist kein BtM; Erstattung durch GKV fraglich)
6. Besonderheiten bei der Rezeptausstellung: Angabe der Cannabissorte und Kenntnis der Gebrauchsanweisung erforderlich
Die Angabe „Cannabisblüten“ oder „Cannabis flos“ ist als Arzneimittelbezeichnung nicht ausreichend. Die Verordnung ist erst dann eindeutig, wenn zusätzlich die Sorte der Cannabisblüten genannt ist, da die verschiedenen Sorten sich teils erheblich in ihrem THC-Gehalt unterscheiden. Beispiele für Cannabissorten: Bedrocan, Bedica, Pedanios 22/1, Princeton (MCTK007).
Beispiele für korrekt angegebene Arzneimittelbezeichnung:
- Cannabisblüten zur Inhalation (mittels Verdampfer):
- Cannabisblüten (Sorte) 10,0 g NRF 22.12
- Cannabisblüten (Sorte) 40 Einzeldosen zu je 30 mg NRF 22.13
- Cannabisblüten zur Teezubereitung:
- Cannabisblüten (Sorte) 20,0 g NRF 22.14
- Cannabisblüten (Sorte) 20 x 0,25 g NRF 22.15
Wichtig: Gebrauchsanweisung muss der Apotheke bekannt sein!
Laut § 9 BtMVV kann bei BtM-Rezepten entweder die Dosierung mit Einzel- und Tagesgabe angegeben werden oder ein Hinweis auf das Vorliegen einer schriftlichen Gebrauchsanweisung. Im letzteren Fall muss die schriftliche Anweisung der Apotheke bekannt sein. Ist dies nicht der Fall, muss die Verordnung als nicht plausibel bewertet werden! Es ist Rücksprache mit dem Arzt zu halten.
7. Abrechnung von Cannabisrezepturen und -fertigarzneimitteln:
Seit dem 1. März gibt es spezielle Sonderkennzeichen für cannabishaltige Zubereitungen und Fertigarzneimittel:
- 06460665 für die Abrechnung von cannabishaltigen Rezepturen oder Cannabisabfüllungen
- 06460671 für die Abrechnung cannabishaltiger Fertigarzneimittel ohne PZN (Einzelimporte nach § 73 AMG)
Die Preisberechnung erfolgt bei Rezepturen und Abfüllungen nach AMPreisV, wie es auch bei allen anderen Rezepturen und Abfüllungen der Fall ist.
8. Anwendung von Cannabisblüten durch den Patienten
Die Cannabisblüten werden entweder inhaliert (mittels Verdampfer) oder als Teezubereitung aufgenommen. Hierzu müssen die Blüten in der Apotheke gemahlen und gesiebt und dann entweder mit einer Dosierhilfe oder vorportioniert abgegeben werden. Eine Selbstwägung durch den Patienten sollte vermieden werden.
- Teezubereitung: 0,5 g Droge auf 0,5 l Wasser; der Ansatz muss 15 Minuten kochen
- Inhalation: 100 mg Cannabisblüten pro Inhalation (Richtwert)
9. Dosierungsvorgaben für Cannabis
Die Dosierung von Cannabis ist patientenindividuell. Die Dosen zur oralen Einnahme sind vielfach höher als die zur Inhalation. Die Dosierung erfolgt einschleichend und wird bis zur Erhaltungsdosis auftitriert. Die Anfangsdosis pro Tag bei Cannabisblüten liegt bei 0,05–0,1 g und kann bis zu Tagesdosen von 3,0 g gesteigert werden.
10. Verdampfer bislang noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis
Die zur Applikation benötigten Verdampfer sind aktuell noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis zu finden und können deshalb noch nicht zulasten der GKV abgegeben werden bzw. nur in Ausnahmefällen. Die Aufnahme ist jedoch beantragt.
Beispiel: Volcano Medic® oder Mighty Medic®
Ob die Abgabe der Verdampfer über die Apotheke läuft oder nicht, ist derzeit noch unklar.
Viele weitere Informationen sind auf den Internetseiten der Bundesapothekerkammer im geschützten Bereich zu finden.