Vorsicht: Unklare Verordnungen können teuer werden

Bereits in unserem letzten Newsletter haben wir darauf hingewiesen, dass gleiche N-Größen nur dann als gleiche Mengen­abgaben – und somit als austauschbar – akzeptiert werden, wenn es finanziell vorteilhaft für die kosten­tragende Kranken­kasse ist. Damals ging es für die retaxierte Apotheke nur um einen kleineren Betrag, den die Retax­prüfung der Kranken­kasse sehr allgemein mit „Retaxation entspricht nicht der Verordnung“ begründete.
Dass mit dieser Begründung vorranging auch bei sehr teuren Versorgungen die Erstattung gekürzt wird, soll der heutige Beitrag über einen Retaxfall, der Ende November 2019 bei DAP einging, zeigen.

Bei den vorliegenden Retaxationen handelt es sich um zwei Verordnungen mit gleichem Sachverhalt, die mit interpretierbaren Mengen von einer renommierten Uniklinik verordnet wurden.

Retax 1:

Krankenkasse: BARMER (IK 101780006)
Verordnet in zweiter Zeile:4! x Teglutik 5 mg/ml Saft 250 N2
Dosierung:morgens und abends 10 ml
Verordnung:27.11.17
Abgabe:02.12.17

Rückblickend wird für den damaligen Abgabetag in der Lauer-Taxe online nur eine Zubereitung angezeigt:

Erst ab 15.05.18 wird auch die nicht der AMPreisV unterliegende und nicht normierte Klinikpackung mit 250 ml angezeigt:

Dennoch hat die BARMER diese Verordnung retaxiert, da die 500-ml-Packung zweimal eine Flasche zu 250 ml enthält und somit nach Ansicht der Krankenkasse nur zwei Packungen à 2 x 250 ml = 4 Flaschen abgegeben werden durften. Und sie retaxiert mit der allgemeinen, bereits im letzten Newsletter gebrauchten und hier wenig aussagekräftigen Begründung: „Es liegt keine Übereinstimmung der abgegebenen Arzneimittel mit der Verordnung vor (§ 17 ApoBetrO).“ Im Übrigen heißt die Verordnung „ApBetrO“ und nicht „ApoBetrO“.

Folgendermaßen wurde retaxiert:

Obwohl die versorgende Apotheke keinen Zweifel hatte, welche Abgabe die Uniklinik benötigte, hätte diese Retaxation sicherlich schon zum damaligen Zeitpunkt vermieden werden können, wenn die Apotheke Rücksprache mit dem verordnenden Arzt genommen hätte.

Dennoch hat die Apotheke Einspruch eingelegt und darin detailliert ausgeführt, dass es sich um eine Quartalsverordnung handelte, die von der Uniklinik ausdrücklich mit „!“ verordnet wurde, und dass die verordnete Menge bei der angegebenen Dosierung von 2 x täglich 10 ml bei einer N2 mit 500 ml genau 25 Tage reicht. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass der Klinik nur die Einzelflaschen mit 250 ml in Saftform bekannt und vertraut waren und daraus die Verordnungsungenauigkeit resultierte.

Obwohl das lebensverlängernde Medikament leider „nur“ zur Verzögerung der lebensbedrohlichen der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) dienen kann, sollten wir den schwer kranken Patienten eigentlich wenigstens derartige bürokratische Probleme ersparen, aber der Einspruch wurde – wie zu befürchten war – abgelehnt:

Nun mag bei dieser Verordnung über „4! x Teglutik 5 mg/ml Saft 250 N2“ die Meinung der Rezeptprüfstelle zumindest für Nichtapotheken noch umsetzbar erscheinen, nicht mehr logisch nachvollziehbar ist jedoch die Retaxation einer zweiten Verordnung über „3! x Teglutik 5 mg/ml Saft ml N2“:

Retax 2:

Hier zu unterstellen, die Uni-Klinik hätte hier 3 Flaschen à 250 ml benötigt, ist ziemlich unsinnig, denn 1 ½ Packungen aus der einzigen abgabefähigen N2-Packung (mit 1 x 2 x 250 ml) hätte die versorgende Apotheke in keinem Fall abgeben können.

Somit wurde die Abrechnung der Apotheke kurzerhand auf 1 Packung (mit 1 x 2 x 250 ml Flaschen) gekürzt, obwohl dies keinesfalls der ärztlichen Verordnung mit 3 Flaschen entsprochen hätte:

Gleichwohl wurde auch hier der Apotheke unterstellt, dass deren Versorgung nicht mit der Verordnung übereinstimmen würde. Und erneut hat die Krankenkasse 999,50 € gespart.

Obwohl es sehr schwierig ist, mit einem Arzt einer Uniklinik Rücksprache zu halten, wäre dies wohl auch in diesem Fall retaxsicherer gewesen.

Nahezu 2.000 € Vergütungsabzug, den erneut eine Apotheke aufgrund einer ungenauen ärztlichen Verordnung bezahlen muss, denn leider ist nicht damit zu rechnen, dass die Krankenkasse bei einem erneuten Einspruch Einsicht zeigen würde. Daran würde erfahrungsgemäß auch eine ärztliche Bestätigung vermutlich nichts ändern.
Da es wenig glaubhaft ist, sich bei Retaxationen auf den ärztlichen Willen oder die therapeutische Notwendigkeit zu berufen, wenn nachträgliche ärztliche Bestätigungen ohne juristischen Beistand nicht mehr anerkannt werden, bleibt wenigstens zu hoffen, dass derartige Retaxationen und die Regelungen im neuen Rahmenvertrag zu „nicht eindeutig bestimmten Verordnungen“ die Vorsicht der versorgenden Apotheken schärfen können.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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