Rezeptänderungen in Zeiten der Coronapandemie – wer darf wann was?

Vor allem zu Beginn der Pandemie, als noch zu wenig über Über­tragungs­wege des neuartigen Corona­virus bekannt war, gab es ein großes Ziel: Kontakte wo immer möglich vermeiden bzw. minimieren.

Dies schlägt sich bis heute in der SARS-CoV-2-AMVersVO nieder, die den Apotheken über die klassischen Heilungs­möglichkeiten weitere Abgabe-/Änderungs­möglichkeiten einräumt, ohne dass eine Änderung durch den Arzt persönlich erforderlich ist – oft wird eine telefonische Arzt­rück­sprache als ausreichend erachtet. Auch hier ist das erklärte Ziel, eine zeitnahe Versorgung der Bevölkerung mit den benötigten Mitteln zu gewähr­leisten und gleich­zeitig die Kontakte auf das geringste Maß zu reduzieren.

Wer darf die benötigte Stückzahl ergänzen?

Eine Apotheke berichtete uns nun von einer Retaxation, bei der die Krankenkasse die nachträgliche Ergänzung einer Stückzahl durch die Apotheke monierte. Konkret ging es um eine Verordnung über „Calciumfolinat 40 mg zur Herstellung“. Hier ergänzte die Apotheke handschriftlich die nach Rücksprache mit dem Arzt ermittelte benötigte Menge von 135 Stück. Allerdings wurde vergessen, den Zusatz „nach Rücksprache mit dem Arzt“ aufzubringen, und die Änderung wurde nicht von der Apotheke mit Datum und Kürzel abgezeichnet. Im Endeffekt resultierte dies in einer empfindlichen Retax in Höhe von knapp 3.500 Euro.

Nun ist die Frage, wie diese Retaxation zu bewerten ist und ob ein Einspruch erfolgversprechend ist.

Basis der Kürzung ist ein Passus im Arzneiliefervertrag Nordrhein-Westfalen, und zwar in § 4 Abs. 9 ALV NW. Dort steht Folgendes:

4 Abs. 9 ALV NW

„Die Leistungen haben den vertrags(zahn)ärztlichen Verordnungen zu entsprechen. Änderungen und Ergänzungen der Verordnungen im Hinblick auf Bezeichnung und Menge dürfen nur vom Arzt veranlasst werden und sind von diesem zu unterzeichnen.“

Die Mengenänderung hätte also vom Arzt durchgeführt werden müssen.

Argumente für einen Einspruch?

Nun kann aber durchaus das Argument herangezogen werden, dass die Apotheke aufgrund der Covid-19-Situation einen Zweitkontakt zwischen Arzt und Patient bzw. Apotheke und Arzt vermeiden wollte. Die Änderung erfolgte natürlich keinesfalls auf eigene Faust, sondern nachdem mit dem Arzt Rücksprache gehalten worden war. Dass dies nicht auf dem Rezept dokumentiert wurde, ist als rein formaler Fehler zu werten. Bestenfalls stellt der Arzt auch noch eine Bestätigung aus, dass er telefonisch die Menge von 135 Stück durchgegeben hat.

Nach § 6 Abs. 1c und d Rahmenvertrag gilt:

6 Abs. 1c und d Rahmenvertrag

„[…] Der Vergütungsanspruch der Apothekerin / des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]

c) die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten,
d) es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit
der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“

Demnach kann die Krankenkasse durchaus im Einzelfall entscheiden, die Apotheke trotz des formalen Fehlers zu vergüten – und solch ein formaler Fehler liegt hier nach unserer Einschätzung vor.

Schaut man in den Rahmenvertrag, so ist in § 6 Abs. 2c auch nachzulesen, dass bei BtM-Rezepten sogar eine Ergänzung der Menge nach Rücksprache mit dem Arzt erlaubt ist bzw. dass es sich dabei um einen unbedeutenden Fehler handelt:

6 Abs. 2c Rahmenvertrag

„(2) Um einen unbedeutenden Fehler im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Buchstabe d) handelt es sich insbesondere:

c) Wenn papiergebundene Verordnungen, die einen für die abgebende Person erkennbaren Irrtum enthalten, unleserlich sind oder § 2 Absatz 1 Nummern 1 bis 7 AMVV bzw. § 9 Absatz 1 Nummern 1 bis 8 BtMVV – unbeschadet der jeweils anwendbaren Gültigkeitsdauer – nicht vollständig entsprechen und die abgebende Person nach Rücksprache mit der verschreibenden Person die Angaben korrigiert oder ergänzt.1

In der Fußnote wird aufgeführt: „6. BtMVV: Menge des verschriebenen Arzneimittels in Gramm oder Milliliter, Stückzahl der abgeteilten Form“. Es stellt sich die Frage, ob die Ergänzung der Stückzahl, auch wenn es hier nicht explizit aufgeführt ist, nicht im Einzelfall auch bei normalen Rezepten nur einen unbedeutenden Fehler darstellt. Es bleibt aber auch das Problem, dass die Apotheke die ärztliche Rücksprache nicht dokumentiert hat.

Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass hier einmal mehr ein formaler Fehler retaxiert wurde – die Arzneimittelsicherheit sowie die Wirtschaftlichkeit der Versorgung waren nicht gefährdet. Ob dies eine Retax in solcher Höhe rechtfertigt oder ob zumindest über die Höhe der Retax nochmals entschieden wird, bleibt abzuwarten.

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