Vollabsetzung aufgrund fehlender Charge

Bei E-Rezepten gab und gibt es seit dem allge­meinen Roll­out eine ganz neue Stolper­falle für Apotheken: die Angabe der Chargen­be­zeichnung für den Abgabe­daten­satz.

Hintergrund der Verpflichtung, eine Charge bei der Abrechnung mit anzu­geben, ist die Nach­ver­folg­barkeit für den Fall eines möglichen Arznei­mittel­rückrufs und die Ab­wicklung von Regress­ansprüchen der Kranken­kassen gegenüber den Arznei­mittel­her­stellern. Auf Basis eines Schieds­spruches vom 31. Dezember 2020 wurde diesbe­züglich Anlage 9 im Rahmen­vertrag ergänzt, der die Mit­wirkungs­pflicht der Apotheke regelt und hier unter anderem die Angabe der Charge im Abgabe­daten­satz für apotheken- und authentifizierungs­pflichtige Arznei­mittel vorsieht.

Da es mit dem E-Rezept regel­mäßig Probleme bei der Angabe der Charge gegeben hatte, war eine allgemeine Friedens­pflicht verein­bart worden, die jedoch zum 29. April 2024 auslief. Nun werden erste Retaxationen bekannt, bei denen auf­grund einer fehlenden Charge die Erstattung auf null gekürzt wurde.

Berechtigt eine fehlende Charge zu einer Nullretax?

Eine Apotheke fragte zu diesem Thema beim DeutschenApothekenPortal an. Auch dieser Apotheke wurden mehrere Rezepte wegen fehlender Charge in voller Höhe abgesetzt. Der Apotheke ist durchaus klar, dass die Angabe verpflichtend ist, fragt jedoch, ob es denn wirklich eine Vollab­setzung sein muss – dass die Angabe im hektischen Arbeits­alltag im Einzel­fall durch­rutschen kann, ist nach­voll­ziehbar.

Nun prallen einmal mehr die verschiedenen Auf­fassungen von DAV und GKV-Spitzen­verband aufeinander. Der DAV auf der einen Seite argumentiert, dass die Chargen­über­mittlung wie eingangs geschrieben nur dazu dient, die Erstattungs­ansprüche zwischen Kranken­kassen und pharma­zeutischen Herstellern im Falle eines Arznei­mittel­rück­rufes abzuwickeln. Eine Voll­ab­setzung ist weder in den zugrunde­liegenden Verein­barungen in § 131a SGB V noch in Anlage 9 des Rahmenvertrags vereinbart.

Der GKV-Spitzenverband führt auf der anderen Seite an, dass die Verpflichtung zur Angabe der Charge sowohl in Anlage 9 des Rahmen­vertrags als auch in der Arznei­mittel­abrechnungs­verein­barung nach § 300 Abs. 3 SGB V vereinbart ist und es damit eine rechtliche Grundlage für eine Retaxation bei fehlender Angabe gibt. Zudem gibt es diesbezüglich keine Regelung in § 6 des Rahmen­vertrags – eine fehlende Chargen­be­zeichnung wird hier derzeit nicht explizit als rein formaler Fehler aufgeführt. Weiterhin gibt der GKV-Spitzen­verband an, dass im Einspruchs­verfahren die Möglichkeit besteht, eine Einigung mit der Kranken­kasse herbei­zu­führen.

Einspruch einlegen

Auf jeden Fall sollte die Apotheke Einspruch gegen die vorliegenden Retaxationen einlegen und soweit dies irgendwie möglich ist, die fehlenden Chargen nachtragen. Dann sollte dem Einspruch stattgegeben werden.

Außerdem sollte für künftige Fälle geprüft werden, ob eine fehlende Chargenbezeichnung nicht doch ein rein formaler Fehler gemäß § 6 Abs. 1 Buchst. d Rahmenvertrag ist, der weder die Arzneimittelsicherheit noch die Wirtschaftlichkeit der Versorgung tangiert. Dies gilt vor allem dann, wenn der entsprechende Vorgang wie bei der anfragenden Apotheke bereits aus August 2024 stammt und es offensichtlich keinen Arzneimittelrückruf bei der betreffenden Charge des Arzneimittels gab – nur in diesem Falle hätte eine fehlende Chargenbezeichnung negative Folgen haben können. So aber ist weder der Krankenkasse noch den Versicherten ein Schaden entstanden.

Der Rahmenvertrag gibt Krankenkassen zudem in § 6 Abs. 1 Buchst. c die Möglichkeit, Apotheken trotz eines Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten – auch auf diesen Passus könnte sich die Apotheke zusätzlich beziehen.

Nachfolgend die entsprechenden Passagen des Rahmenvertrags:

6 Abs. 1 Rahmenvertrag

„[…] Der Vergütungsanspruch der Apothekerin / des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
c) die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten,
d) es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation zukünftig entwickelt. Zumindest wurde die speziell für das Stellen vereinbarte Friedenspflicht bezüglich der Chargenangabe, die ursprünglich zum Juni ausgelaufen war, noch einmal bis zum Jahresende verlängert.

Haben Sie schon Retaxationen erhalten, bei denen eine fehlende Charge bemängelt wurde, oder haben Sie schon Erfolg mit einem Einspruch gehabt? Dann teilen Sie dies gerne mit uns und senden Sie Ihren Fall anonymisiert an abgabeprobleme@extradeutschesapothekenportal.de.

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