Erweiterte Biosimilar-Substitution?
Pros, Contras und mögliche Folgen für die Apotheke
Nachdem der G-BA im Juni ein neues Stellungnahmeverfahren zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine automatische Biosimilar-Substitution in Apotheken erlaubt wird, angestoßen hat, wird dazu viel diskutiert: Ist ein solcher weitergehender Austausch überhaupt zielführend und notwendig, und welche Folgen wären dadurch zu erwarten? Im Rahmen des IQVIA Round Table Biologics und Biosimilars am vergangenen Dienstag wurden viele Fakten und mögliche Probleme rund um den Biologika-Austausch diskutiert. Unsere Kolleginnen Nadine Friederich und Christina Dunkel stellten die aktuellen Vorgaben für die Verordnung von Biologika durch Ärztinnen und Ärzte sowie für die Abgabe entsprechender Fertigarzneimittel in der Apotheke vor.
Viele Akteure – viele Interessen
Die verschiedenen Referentinnen und Referenten zeigten die unterschiedlichen Positionen auf, die im Biologika-Markt vertreten sind. Während aus Patientensicht ein möglicher (mehrfacher) Austausch ohne enge ärztliche Begleitung sehr kritisch gesehen wurde, wurden auch aus Sicht der Hersteller mahnende Worte gehört. So wird durchaus das große Einsparpotenzial durch Biosimilars gesehen, jedoch macht sich dies schon jetzt bemerkbar: Auch ohne breite, automatische Substitution in der Apotheke werden Einsparungen schon jetzt durch bestehende Rabattverträge und die zahlreich in der Therapie etablierten Biosimilars generiert.
Ein weitergehender, automatischer Austausch in der Apotheke, wie er bei Generika bereits etabliert ist, mag zwar kurzfristig gesehen einen gewissen weiteren Vorteil für das Gesundheitssystem darstellen, letztlich wird aber vor den langfristigen Folgen gewarnt. Dazu ist ein Blick in die derzeitige Situation im Generikamarkt empfehlenswert, um aus den dort bestehenden Schwierigkeiten zu lernen:
- Ein automatischer Austausch würde voraussichtlich mit einer neuen Rabattvertragsausschreibung einhergehen.
- Damit ergäbe sich ein gewaltiger Preisdruck für die Hersteller, mögliche Folgen wären unter anderem die Verlagerung der Produktion ins Ausland und eine Verkleinerung des Marktes insgesamt.
- Weniger Produkte und eine hochkomplexe Lieferkette würden voraussichtlich auch im Bereich der Biologika Lieferengpässe begünstigen, Ausfälle wären noch schwerer zu kompensieren als im generischen Markt. Folge wäre, dass bei einem Ausfall der „günstigen“ Präparate in der Versorgung letztlich doch wieder auf teurere Präparate zurückgegriffen werden müsste – sofern es diese dann überhaupt noch gibt.
- Aufgrund der Marktunsicherheit stellt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß (in Deutschland) zukünftig überhaupt noch in die Entwicklung von Biosimilars investiert wird.
Bedeutung der Apotheke
Auch für die Apotheke hätte eine erweiterte Austauschpflicht weitreichende Folgen:
- Bevor in der Apotheke ein Austausch vorgenommen werden könnte, müssten in jedem Fall die Rahmenbedingungen vertraglich festgelegt werden: Welche Wirkstoffe gelten als austauschbar? Welche Indikationen müssen für einen Austausch übereinstimmen? Reicht die Übereinstimmung in einer Indikation oder sollten im Sinne der Arzneimitteltherapiesicherheit nicht eher alle Indikationen übereinstimmen?
- Und die vielleicht kritischste Frage: Wie wird den zahlreichen speziellen Devices Rechnung getragen?
- Nicht zu vergessen auch die ganz praktische Frage: Drohen hier neue Retaxfallen?
Selbstverständlich sind Apotheken in der Lage – und auch in der Pflicht –, zu den jeweiligen Devices zu beraten und zu schulen. Aber der Aufwand einer Beratung zu einem Arzneimittel, das per Injektion verabreicht wird, ist unbestritten größer als bei der Beratung zu einer einfachen Tablette. Dieser (Zeit-)Aufwand sollte Apotheken vergütet werden – vielleicht im Rahmen einer neuen pDL? Ob und in welcher Form an die verordnende Person eine Rückmeldung erfolgt, auf welches Präparat das verordnete im Rahmen der vertraglich fixierten Abgaberangfolge substituiert wurde, ist ebenfalls eine Frage, die im Raum steht.
Ganz praktisch würde allein die Recherche nach austauschbaren Präparaten mehr Zeit in der Apotheke erfordern, denn auch wenn bei den Devices als Darreichungsform „Injektionslösung“, also „ILO“, vermerkt ist, bedeutet dies nicht, dass verschiedene Präparate „gleich“ sind. So gibt es mit dem Kürzel „ILO“ mit Fertigspritze und Fertigpen schon verschiedene Systeme. Zusätzlich gibt es verschiedene Anwendungs- und Auslösemechanismen, vielleicht gibt es auch jeweils eigene Patientenbetreuungsprogramme. All dies müssten Apotheken bei der Abgabe in der Apotheke berücksichtigen.
Natürlich erledigen die Apotheken diese Aufgaben bereits jetzt, denn es gibt mit dem Vergleich zwischen Original und Importen sowie innerhalb der Bioidenticals bereits eine gewisse Austauschbarkeit. Allerdings würde die Anzahl der Alternativen mit „gleichem“ Wirkstoff mit dem erweiterten Austauschgebot deutlich zunehmen. Mit neuen Austauschvorgaben ergeben sich erfahrungsgemäß auch immer neue Retaxfallen, und Retaxationen im Bereich der Biologika sind aufgrund der meist hohen Preise mit empfindlich hohen Einschneidungen verbunden – auch hier sollte für Apotheken Sicherheit geschaffen werden.
Betroffene nicht vergessen
Ganz gleich wie ein möglicher Austausch zukünftig geregelt wird, im Fokus sollte vor allem – und zwar bei allen an der Versorgung Beteiligten – die Patientin bzw. der Patient stehen! Hier sind neben wissenschaftlichem Fachwissen und der korrekten Umsetzung vertraglicher Vorgaben vor allem Fingerspitzengefühl und Empathie gegenüber den Betroffenen unerlässlich.
Für die Apotheke kann dies auch eine Chance sein, denn sie ist seit jeher ihren Kundinnen und Kunden zugewandt und ihre Leistung geht über den reinen Versorgungsauftrag deutlich hinaus. Kommt die automatische Substitution bei Biosimilars, so können pharmazeutische Kompetenzen im Hinblick auf die Devices noch wichtiger werden und Pharmazeutische Bedenken ein wichtiges Mittel zur Absicherung der Therapieziele. Es bleibt zu hoffen, dass dies den Apotheken dann aber auch entsprechend vergütet wird, denn allein durch guten Willen trägt sich leider keine Apotheke.
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