Prüfpflicht: Verordnungsfähigkeit

Gemäß § 34 SGB V sind seit Januar 2004 nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel für Erwachsene von der Versorgung zulasten der GKV ausgeschlossen. Dies gilt im Grundsatz auch für Rezepturverordnungen ohne Rx-Bestandteile. Die Verordnung dieser Arzneimittel ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung „schwerwiegender Erkrankungen“ als Therapiestandard gelten. In der sogenannten „OTC-Ausnahmeliste“ (Anlage I zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie) legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fest, welche OTC-Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und bei bestimmten Indikationen ausnahmsweise vom Arzt zulasten der GKV verordnet werden können.

Die Apotheke hat daher eine Prüfpflicht auf die Verordnungsfähigkeit von Rezepturarzneimitteln ohne rezeptpflichtige Bestandteile. Dies wird zum Beispiel in den Arzneilieferverträgen der Krankenkassen vertraglich festgelegt.

vdek- bzw. Ersatzkassen

4 (5) vdek-AVV (Auszug)

„Verordnungen von […]

6. Rezepturen, die als abgabefähiges Endprodukt nicht der Verschreibungspflicht unterliegen und die nicht von der Richtlinie nach § 34 Absatz 1 Satz 2 SGB V (OTC-Übersicht) als Ausnahme erfasst sind, für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die nicht als Sprechstundenbedarf verordnet werden, […] dürfen nicht zu Lasten der Ersatzkassen beliefert werden, es sei denn, sie sind bei bestimmten Indikationsstellungen verordnungs- und erstattungsfähig.“

Merke

Zu den Ersatzkassen gehören die BARMER, DAK-Gesundheit, Hanseatische Krankenkasse, Handelskrankenkasse, Kaufmännische Krankenkasse und Techniker Krankenkasse.

RVO- bzw. Primärkassen

Bei Primärkassen gibt es zum Teil regional abweichende Regelungen, die vor der Abgabe für das jeweilige Gebiet geprüft werden müssen. Es ist also zu klären, ob für Primärkassen nach dem Regionalvertrag des jeweiligen Bundeslandes eine Prüfpflicht für Rezepturen mit nicht rezeptpflichtigen Bestandteilen besteht. Normalerweise gibt es keine vertragliche Vereinbarung, da die Beurteilung nach Indikation in den Verantwortungsbereich des Arztes fällt. Teilweise ist die Prüfpflicht aber in den Versorgungsverträgen verankert, wie zum Beispiel beim Arzneimittel-Versorgungsvertrag der AOK PLUS vom 1. Februar 2011 für Sachsen und Thüringen:

3 (12) AVV SAV AOK PLUS für Sachsen und Thüringen (Auszug)

„Enthält eine Rezeptur ausschließliche Nichtarzneimittel bzw. nicht verschreibungspflichtige Komponenten und sind diese nicht von der Richtlinie nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V (OTC-Übersicht) als Ausnahme erfasst, kann die Rezeptur für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nicht zu Lasten der AOK PLUS abgegeben werden.“

Erfüllung der Bedingungen gemäß Anlage I

Ob die vorgegebenen Indikationen für die vorliegende Verordnung erfüllt sind, muss und kann die Apotheke nicht überprüfen. Eine Vorschrift zur Angabe der Indikation auf der Verordnung oder gar deren Überprüfung ist daher zu Recht nicht vorgesehen (z. B. auch wegen Datenschutz).

Ausnahme: Erweiterte Prüfpflicht

Apothekenmitarbeiter müssen also prüfen, ob die Rezeptur verschreibungspflichtig ist (z. B. Anlage 1 AMVV) beziehungsweise ob es für die verordnete Substanz eine Ausnahme gibt (z. B. Anlage I AM-RL), jedoch nicht, ob die jeweiligen Bedingungen erfüllt werden.

Wenn allerdings auf dem Rezept wider Erwarten eine Diagnose vermerkt ist, hat die Apotheke eine sogenannte „erweiterte Prüfpflicht“ und muss zusätzlich überprüfen, ob die Bedingungen der jeweiligen Anlage mit der angegebenen Diagnose übereinstimmen. Diese Forderung leitet sich aus § 17 (5) der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ab.

17 (5) ApBetrO

„Die abgegebenen Arzneimittel müssen den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Sozialgesetzbuches zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie nicht lesbar oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist.

Sollte also unter Angabe einer Diagnose, die Indikation nicht den Kriterien der jeweiligen Anlage entsprechen, so muss mit dem verordnenden Arzt Rücksprache gehalten und der Sachverhalt vor Herstellung und Abgabe der Rezeptur geklärt werden. Gegebenenfalls muss der Patient die Rezeptur dann selbst bezahlen.

Retaxfalle