Unberechtigte Retax einer Verordnung topischen Isotretinoins

Orale Isotretinoin-Präparate zur Behandlung schwerer Formen der Akne unterliegen aus Gründen der Arzneimittelsicherheit vergleichbar den lenalidomid-, pomalidomid- oder thalidomidhaltigen Arzneimitteln erhöhten Verordnungs- und Abgabebeschränkungen.

Aufgrund ihres vergleichbar hohen teratogenen Risikos dürfen letztere nicht während einer Schwangerschaft oder Stillzeit verordnet werden und eine Schwangerschaft muss vorbeugend vor, während und mindestens einen Monat nach der Behandlungsdauer ausgeschlossen sein („Schwangerschaftsverhütungsprogramm“). Die Verordnungsmenge für gebärfähige Frauen darf den Bedarf für 30 Tage nicht überschreiten und die Verordnung auf einem besonderen Rezeptformular hat nur eine begrenzte Gültigkeit.

Orale isotretinoinhaltige Arzneimittel dürfen zwar auf einem „normalen“ Rezept (Muster 16) verordnet werden, unterliegen aber ähnlichen Verordnungs- und Abgabebeschränkungen wie die Thalidomid-Gruppe. Ob diese nun 6 + 1 (Ausstellungstag) oder 7 + 1 Tage beliefert werden darf, wurde erst kürzlich anlässlich einer DAK-Retaxation in der pharmazeutischen Fachpresse diskutiert, weil es hierzu offenbar vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unterschiedliche Stellungnahmen gibt, die derzeit nach Auskunft der Behörde noch geklärt werden müssen.

Die Mitglieder des DAP-Retaxforum beschäftigte jedoch kürzlich eine weitere Frage:
Ob die Abgabebeschränkungen für orale Isotretinoinpräparate auch für topisch anzuwendende Arzneimittel mit diesem Wirkstoff zu beachten sind.

Anlass war eine Retaxation der AOK Niedersachsen:

Retaxiert wurde ein Isotrex®-Gel für eine 21-jährige Frau, welches 15 Tage nach Ausstellungsdatum abgegeben wurde:

Krankenkasse: AOK Niedersachsen (IK 102114819)
Verordnung:1 x Isotrex Gel 25 g N1 (1 x tgl. abends)
Verordnungsdatum:15.04.2015
Vorgelegt und abgegeben:30.04.2015

Da sowohl in der Apotheken-EDV als auch in den BfArM-Richtlinien bezüglich der Abgabebeschränkungen stets nur von oralen Präparaten und deren Einnahme die Rede ist, sah die Apotheke keinen Grund, die Verordnung vom 15.04.2015 am Vorlagetag 30.04.2015 nicht mehr zu beliefern.

Schwer nachvollziehbar, dass die Rezeptprüfstelle bei ihrer Retaxation zunächst Probleme hatte und das isotretinoinhaltige Akne-Gel fälschlicherweise den lenalidomid-, pomalidomid- und thalidomidhaltigen antineoplastischen Präparaten zuordnete. Dennoch war man sich offensichtlich ganz sicher, dass die Abgabefrist überschritten war und retaxierte entsprechend:

Erst als die Apotheke wegen der für isotretinoinhalten Topika nicht zutreffenden Abgabefrist Einspruch erhob, bemerkte und korrigierte die Rezeptprüfstelle ihren Wirkstoffirrtum und die ebenfalls nicht zutreffenden Zuordnung zu § 3 a AMVV, beharrte aber weiterhin auf Überschreitung einer angeblich abgelaufenen Abgabefrist:

Auf Rat des Retaxforums wandte sich die betroffene Apothekerin direkt an das BfArM und bat um Auskunft, ob die Abgabebeschränkungen – hier speziell die Abgabefrist – auch für isotretinoinhaltige Topika zu beachten sind.

Die Auskunft der Behörde teilte die Apotheke mit dem Retaxforum:

Von „Kosmos“ am Do., 09.06.2016, 19:45 Uhr:

Was lange währt wird endlich gut …
Auf eine Mailanfrage ans BfArM am 24.05. bekamen wir heute eine Antwort:
„…Gerne teilen wir Ihnen mit, dass die o. g. Einschränkungen bei der Verschreibung und Abgabe nicht für die topische Anwendung gelten. Entsprechend macht die Fachinformation zu Isotrex®-Gel auch keine diesbezüglichen Vorgaben. Davon unberührt bleiben die Hinweise in der Fach- und Gebrauchsinformation bezüglich einer Anwendung in der Schwangerschaft oder bei Frauen im gebärfähigen Alter, die zu berücksichtigen sind…“

Diese offizielle Aussage ist eindeutig und nun hoffentlich auch für die Rezeptprüfstelle der AOK Niedersachsen nachvollziehbar.

Die Retax ist unberechtigt und zurückzunehmen!

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

Neuen Kommentar schreiben

Sie müssen angemeldet sein, um die Kommentarfunktion nutzen zu können.

DAP Newsletter

Immer aktuell informiert mit dem DAP Newsletter: zur Newsletter-Anmeldung