Zwei Todesfälle nach Behandlung mit teuerster Einmaltherapie der Welt

Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma®) ist seit dem 1. Juli 2020 in Deutschland zur Therapie der spinalen Muskel­atrophie (SMA) zuge­lassen. Damit ist es eines von insgesamt drei verfüg­baren Medika­menten gegen die vererbbare Krankheit. Mit über 2 Millionen Euro Behandlungs­kosten ist es die teuerste Einmal­therapie der Welt. Nun bestätigte der Hersteller zwei Todes­fälle von Kindern auf­grund von akutem Leber­versagen.

Etwa eines von 10.000 Neugeborenen kommt mit spinaler Muskelatrophie (SMA) auf die Welt. Die Krankheit ist auf einen SMN1-Gendefekt zurückzuführen. SMN1 (engl. survival motor neuron 1) kodiert für das entsprechende SMN-Protein, welches an diversen grundlegenden Zellfunktionen beteiligt ist, vor allem aber an fast allen Prozessen des RNA-Metabolismus. Durch ein fehlerhaftes Gen bleibt die Bildung des Proteins aus, Motoneuronen im Rückenmark sterben sukzessive ab, es kommt zum Krankheitsbild der SMA, einer progressiven, neuromuskulären und autosomal-rezessiv vererbbaren Erkrankung. Durch das Absterben der Motoneuronen im Rückenmark kann das Gehirn keine Signale an die Muskeln weiterleiten, sodass die Muskelkraft abnimmt und eine motorische Entwicklung ausbleibt. Zudem wird die Atemmuskulatur stetig schlechter, die meisten Kinder sterben innerhalb der ersten zwei Lebensjahre.1

Seit Mitte 2020 steht ein Gentherapeutikum zur Verfügung, welches das humane SMN-Protein exprimiert. Als einmalige Injektion wird die cDNA mittels eines rekombinanten Adeno-assoziierten Vektors in den Menschen eingebracht. Zwar können keine Langzeitergebnisse betrachtet werden, Nachbeobachtungen zeigen allerdings anhaltenden positiven Nutzen für Betroffene. Die Kinder können sitzen, gehen, essen und haben abhängig vom Behandlungsbeginn eine normale motorische Entwicklung.

Eine Nebenwirkung bei vielen Gentherapeutika, so auch bei Zolgensma®, stellt das akute, immunassoziierte Leberversagen dar, welches durch die eingesetzten Adeno-assoziierten Virus-Vektoren verursacht wird. Um die Immunantwort zu unterdrücken, wird die Komedikation mit Kortikosteroiden empfohlen.

Dennoch sind nach der Behandlung mit dem Gentherapeutikum zwei Kinder aufgrund eines akuten Leberversagens gestorben, wie der Hersteller am 11. August 2022 berichtete. Man wolle nach eigenen Angaben in Übereinstimmung mit den Gesundheitsbehörden die Kennzeichnung aktualisieren, um darauf hinzuweisen, dass es zu tödlichem akuten Leberversagen kam. Dennoch sehe man weiterhin das günstige Nutzen-Risiko-Profil, denn es seien nicht weniger als 2.300 Patienten in klinischen Studien, im Rahmen von Managed-Access-Programmen und im kommerziellen Umfeld, behandelt worden.2

 


1 Charité Berlin: Pressemitteilung: Spinale Muskelatrophie: Charité-Studie bestätigt Wirksamkeit der Gentherapie. Online verfügbar unter:
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/spinale_muskelatrophie_charite_studie_bestaetigt_wirksamkeit_der_gentherapie/

2 Angus Liu: 2 deaths after Novartis' Zolgensma put gene therapy's liver safety in the spotlight once again. Online verfügbar unter:
https://www.fiercepharma.com/pharma/two-deaths-after-novartis-zolgensma-bring-gene-therapys-liver-safety-spotlight-again

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